Impressionen Kuba - lose Teil 3

21.03.2018 01:06
#1 Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Forums-Senator/in

Hm, mit Blick Zugriffzahlen bei Teil 2 scheint sich tatsächlich für den Bereich Reiseberichte kaum jemand zu interessieren. Sollte ich mich täuschen, teilt es bitte mit. Ein bißchen Motivation brauche ich schon.


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21.03.2018 05:56 (zuletzt bearbeitet: 21.03.2018 05:57)
avatar  eltipo
#2 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Rey/Reina del Foro

Hallo,
für mich ist es im Moment das interessanteste im ganzen Forum

Bitte weiter so !!


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21.03.2018 06:24 (zuletzt bearbeitet: 21.03.2018 07:03)
avatar  mickey ( gelöscht )
#3 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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mickey ( gelöscht )

Yep, für mich ebenso, die Texte sind hervorragend. Fast anzunehmen dass sich der Schreiber beruflich damit befasst. Ich bin ganz neugierig auf mehr davon.


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21.03.2018 15:43
#4 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Rey/Reina del Foro

Schreib blöß weiter Jose, ich drucke alles aus und werde in
4 Wochen einen Grosdschegg machen


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21.03.2018 16:45
#5 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Forums-Senator/in

Großes Abschlusskonzert

"Felicitades, Santiago", singt die Gruppe noch. Und das war es dann. Das große Abschlusskonzert zum fünftägigen Internationalen Festival de la Trova Pepe Sánchez endet am Montag kurz nach dem zehnten Glockenschlag der Kathedrale am Cepedespark.

Anderthalb hat es einschließlich Sprecheransagen und der feierlichen Übergabe von Blumengebinden gedauert. Es gibt keine Zugaben. Auch keine Forderungen nach diesen. Die Kubaner sind wohlerzogen. Schluss bedeutet Schluss.

Konservenmusik übernimmt anschlusslos. Keiner der Musiker hat das Bedürfnis, noch einmal aufzuspielen, kein Liedermacher singt noch einen Stehgreifsong. Keine Gitarren werden mehr gezupft. Niemand ist heiß. Nur die Luftfeuchtigkeit lässt einen Schweißfilm auf der Haut entstehen. Die Instrumente sind im Nu in den Taschen verschwunden. Dafür werden die Rumflaschen geöffnet.

Die Techniker packen zusammen. Die Plastestühle werden aufgeschichtet und davon getragen, Scheinwerfer in Kisten verpackt. Ein paar Gruppenfotos fürs Album noch, dann laufen die Musiker mit ihren Instrumenten davon. Ein paar Locos tanzen noch vor sich hin. Den Rhythmus geben jetzt die Maniverkäufer vor, die mit dem Stock an ihre Blechkisten trommeln.

Die Rastas verschwinden und all die Eintänzer, die gerade noch ältliche Touristinnen geschwenkt haben. Ein Schulmädchen hat vergeblich versucht, einen von sechs auf der Bank sitzenden gleichaltrigen Jungen zu einem Tanz zu überreden. Alle haben abgelehnt, sie hat sich schließlich einen vor sich hin tanzenden gegriffen.

Manuel Cespedes blickt mit toten Augen über den Platz. Könnte er seinen Metallkopf schütteln, der Vater des Vaterlandes täte es, sprachlos über dieses Volk. Und auch Bertha, Gott habe sie seelig, blickt gleich zweimal böse von den Fotos der Frauentagsausstellung auf diese feierunlustigen Menschen.

Immerhin, vielleicht zehn Paare tanzen. Das zehnfache an Menschen, Ausländer und Einheimische, steht in Grüppchen zusammen. Jede nicht komplett geleerte Rumflasche ist eine Aufforderung, zu bleiben. Ein paar schwarze Schönheiten und eine blasse Weiße mit rotgefärbten Haaren versuchen noch schnell einen der ausländischen Männer zu einem Tanz zu bitten, ehe die auch abmarschieren.

Die Polizei, die ganze Zeit diskret im Hintergrund, ist verschwunden. Es waren wenige, aber auffallend große und breitschultrige kräftige Männer in grünen Militäruniformen. Ihr Uas-Jeep stand vor der Kathedrale. Der Fahrer mit Barett auf dem Kopf saß die ganze Zeit kerzengerade hinter seinem Lenkrad. Die beiden Riesen neben dem Wagen hielten die Hände auf dem Rücken verschränkt und beobachteten regungslos die Szenerie. Kein Streifenbulle im verwaschenen hellblauen Hemd war zu entdecken.

Noch schwenken alte Männer als echte Trova-Könner blutjunge schlanke Frauen. Zwei wunderschöne Zwillingsmädchen, eine hat ihre langen Haare zu zwei Zöpfen gewunden, die andere ihre zu einem Topf, unterscheiden sich beim Tanzen. Die eine mag es wild, die andere eher langsam und behutsam. Oder liegt es an den Tänzern?

Zwei schwarze Chicas, tagsüber als Blümchenverkäuferinnen getarnt, beratschlagen miteinander und versuchen es dann bei zwei gegenüber von ihnen sitzenden ältlichen bis alten Italienern, aber die haben hier Residencia und wehren die geforderte Einladung auf einen Drink im Hotel Casa Granda ab. Die Fräuleins drehen enttäuscht ab.

Ein 81-Jähriger schwenkt seine ein halbes Leben jüngere Tanzpartnerin vor sich her. Dann bricht er mitten im Tanzschritt ab. Die Musik ist plötzlich weg, der Lautsprecher verstummt. Punkt 22.45 Uhr hat ein Techniker den Stecker gezogen. Über den Platz summt das Stimmengemurmel unzähliger Gespräche, das knattern vom MZ und Suzuki, das Husten der Oldsmobile und Chevi, das Tocktock der Erdnußverkäufer. Aus zwei, drei parkenden Autos dringt Musik. Der übliche nächtliche Geräuschpegel dieser sich doch als so musikalisch gebenden Stadt.

Der Lautsprecherturm verschwindet unter einer großen orangenen Plane. Zwei Männer bewachen die am Straßenrand aufgestapelten weißen Plastestühle. Die letzten Konzertbesucher machen sich davon. Zurückbleiben die Internetsufer auf den den Park säumenden Bänken. In jeder normalen Nacht ist hier mehr los.

Getanzt wird im oberen Stockwerk des Casa de la Trova. Ein paar Kubaner schauen sehnsüchtig von der Straße nach oben. Der Eintritt kostet für Ausländer fünf Cuc und für Einheimische 100 MN, was vier Cuc entspricht. Zu teuer, für einen Santiaguero, der nur seinen Spaß haben will, zu spät, für einen oder eine, der auf ein spendiertes Ticket eines Ausländers hofft.

Die beiden Mädchen im dunklen Treppenaufgang zu "Holandes" warten bestimmt vergeblich. Ins Laternenlicht trauen sich die dunkelhäutigen Schönheiten, eine trägt ein rotes Tuch im dunklen Kraushaar, nicht, der Militärjeep fährt noch Streife. Nun, sie könnten tanzen, ein Bettler spielt mit zwei Rasseln den richtigen Rhythmus, aber dafür sind sie nicht hier. Für sie geht es um "bissnes", nicht um Lebensfreude.


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21.03.2018 21:03
#6 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Rey/Reina del Foro

Schade eigentlich, das habe ich vor 2 Jahren noch ganz anders erlebt


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25.03.2018 11:28
avatar  Hoelzi
#7 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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neues Mitglied

Super Berichte Jose, verschlinge die Insiderbeobachtungen :-) Danke!!!


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30.03.2018 02:14
#8 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Forums-Senator/in

Nein, dieser Yuma

Vergeblich durchwühle ich die Hosentaschen. Keinen einzigen müden Peso ziehe ich heraus. So ein Mist aber auch. Vor mir lockt der Ausschank mit Bier vom Faß und ich habe beim Klamottenwechsel in der Casa vergessen, Geld einzustecken.

Bedient setze ich mich auf eine der Holzbänke und schaue den vergnügt Trinkenden zu. Das Publikum ist heute gut gemischt. Männer baggern Frauen an. Frauen werfen schmachtende Blicke. Nur ich scheine nicht existent zu sein. Ja, will mich denn niemand einladen? Trage ich eine Tarnkappe?

Endlich nähert sich eine Bekannte mit einem Plastebecher voll kühlem Gerstensaft. Ob ich heute nichts trinke? Nur, wenn sie mich einlade, sage ich. Sie lacht über den Witz. Als ich ihr mein Maleur erläutere, schlägt sie sich vor Vergnügen auf die Schenkel. Nein, diese Yumas.

Immerhin ist ihr das die sechs Pesos wert. Ich trinke einen großen Schluck. Herrlich. Ein bißchen Geplauder. Wie hübsch sie heute sei. Dann verabschiede ich mich. Müsse dringend in Richtung Casa, Geld holen. Das versteht sie. Ob sie mich begleiten soll. Ich lehne höflich ab. Das sei nicht nötig. Ich sei doch nicht betrunken. Sie lacht wieder. Falls ich es mir anders überlege, sie sitze noch zwei, drei Stunden hier.

In Höhe der zweiten Kneipe winkt mich eine Frau heran, die neben einer Schwangeren und zwei dunkle Sonnenbrillen tragenden Schwarzen sitzt. Wo ich hin wolle, was ich vorhabe, ob ich ihr ein Bier spendiere. Ich beantworte die Frage in der gestellten Reihenfolge: nach oben, spazieren, leider nein. Warum nicht? Ich erläutere mein Problem. Wieder Gelächter. Die beiden Männer wiehern geradezu. Ich zeige mich empört, sie müsse das ja nicht gleich der ganzen Straße mitteilen.

Das werde sie nicht, versichert die Frau. Die Männer reichen eine Coladose mit Bier. Ob sie mich in meine Casa begleiten solle, fragt die Frau. Ich schüttle den Kopf, stoße sie aber nicht vor ihren. Dafür bekomme ich eine interessante Geschichte erzählt. Dass sie früher in dem Haus neben der Bierkneipe gewohnt habe. Im ersten Stock, wo heute leere Fensterhöhlen den Himmel durchscheinen lassen. Noch früher sei das ein Hotel gewesen, "Zum Löwen". Auch das Coliseo sei einst ein Hotel gewesen. Die Matrosen seien hier abgestiegen.

Die Stadt plane, die Hotels wieder aufzubauen, sagt die Frau. Aber noch würden sich die Bewohner des Erdgeschosses standhaft gegen einen Umzug wehren. Im übrigen wohne sie in einer Casa vier Blocks entfernt. Mit fünf Kindern, den Großeltern, Onkels, Tanzen, Neffen und Nichten, ergänze ich. Nein, nur mit ihrem Sohn und ihrer Mutter. Prompt folgt die Einladung, sie samt ihren Einkäufen dahin zu begleiten. Und dann?, frage ich. Alles, was mir gefällt, lautet die Antwort.

Ich wechsle ins Familiäre. Wie alt der Sohn denn sei? Vier Jahre, sagt sie. Ich schaue erstaunt auf gut versteckte, aber einzelne weiße Haare der Frau. Wie alt sie denn sei. 38 Jahre, lautet die Antwort. Dann sei sie aber spät erstmals Mutter geworden. Dass will sie nicht auf sich sitzen lassen. Dass mit der Haaren sei erblich veranlagt und – nicht der Sohn ist vier Jahre alt, sondern der Enkel. Der Sohn ist 21 Jahre. Dann sei sie ja eine Abuela, strahle ich sie an. Ja, ja. Sie habe zeitig angefangen. Sie kontert geschickt. Ich hätte ja auch schon weiße Haare und sei gewiss ebenfalls schon Großvater. Sie deutet auf die Bank, falls ich mich setzen wolle. Die beiden Sonnenbrillenträger winken vergnügt mit ihren mit Bier gefüllten Coladosen.


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30.03.2018 02:24
#9 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Forums-Senator/in

Haufen vor der Tür

Der dumpfe Klang kurzer, aber heftiger Schläge an die Haustür reißt mich aus dem Tiefschlaf. Draußen ist es Dunkel. Momentan kräht nicht mal ein Hahn. Da klopft es schon wieder. Das Handy zeigt eine unmöglich Zeit. Es ist gerade einmal eine Viertelstunde vor fünf Uhr. Vor drei Stunden habe ich noch vergnügt Musik gehört und Bier getrunken.

Den Störenfried auf der Straße zu ignorieren, bringt nichts. Er ist hartnäckig. Ich torkle schlaftrunken zur Tür, öffne das Fenster und starre auf einen großen Haufen. Den muss jemand mitten in der Nacht vor meiner Haustür hinterlassen haben.

Eine ganze Lastwagenfuhre Sand. Und auf der anderen Straßenseite sitzt der Brigadier mit einem seiner Hilfskräfte. Kaum ist die Tür offen, drücken meine Hand zwei rissige Bauarbeiterpranken. Der Sand müsse von der Straße, bis die ersten Autos kommen, sagt der Jefe. Der andere holt schon Schaufel und Besen. Er beginnt den Haufen von der Straße auf den schmalen Bürgersteig zu schaufeln.

Warum er nicht die Schubkarre nehme und mit dem Sand von der Straßenmitte beginne und diesen gleich in den Hof bringe, frage ich verwirrt. Er wisse schon, was er tue, meint die Hilfskraft. Da ich schon vor Wochen beschlossen hatte, mich nicht in die mitunter merkwürdigen kubanischen Bauabläufe einzumischen, ziehe ich mich wieder in mein Bett zurück.

Im Halbschlaf vernehme ich das Schürfen der Schaufel, später das Fahren einer Schubkarre. Gegen neun werde ich von einem Konzert aus verschiedenen Hammerschlägen unterlegt von einer Elektrosäge erneut und endgültig munter. Dazu bewegt jemand einen Besen. Das deutliche Signal, dass der CDR-Presidente von nebenan auch anwesend ist. Er hat die Oberaufsicht, aber ebenfalls nichts zu sagen, was das Baugeschehen betrifft.

Die Brigade ist komplett im Einsatz. Der Beton wird von seiner Schalung befreit, die erste Rumflasche von ihrem Inhalt. Der Saal hat sich erneut in ein Materiallager verwandelt. Auf der einen Seite stapeln sich Kies-/Schottersäcke, auf der anderen der Zement. Ich zähle die Säcke ab, vergleiche mit der Einkaufsliste. Es ist alles korrekt. Nur der bestellte Bewehrungsstahl fehlt.

Er ist auch am Nachmittag noch nicht da. Auch die Bauarbeiter fehlen. Wer zeitig anfängt, macht zeitig Feierabend. Was alles noch zu tun ist, darüber belehrt mich die folgenden Stunden das Unwetter, was mich nach Hause getrieben hat. Regen klatscht auf das Dach. Ich registriere die am Boden sich ausbreitenden Pfützen. Kuba bleibt finanziell ein Faß ohne Boden.

Dann geht das Licht aus, die Musik verstummt, der Ventilator macht noch eine müde Drehung und bleibt stehen. Stromausfall. Plötzlich sind die Nachbarn wieder ganz deutlich zu hören. Sie schimpfen auf die Regierung. Alles Pingas.


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03.04.2018 10:11
#10 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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super Mitglied

Klasse geschrieben. Bin gespannt wie es weitergeht.

Saludos

Pilonero


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03.04.2018 10:37
#11 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Rey/Reina del Foro

Zwischen welchen beiden Kneipen bist du denn gependelt?


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03.04.2018 23:13
avatar  Che
#12 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Che
Top - Forenliebhaber/in

Sehr schön.

"Ay, me gusta una yuma"

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03.04.2018 23:16
#13 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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Rey/Reina del Foro

Cool geschrieben, als wenn ich dabei gewesen wäre .


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06.04.2018 17:49
#14 RE: Impressionen Kuba - lose Teil 3
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super Mitglied

Bewährungsstahl wird gerade für militärische Hotelneubauten gebraucht! Aber ich habe ein sehr fleißigen Bauarbeiter fruehmorgens gesehen.
Der hat alles per Schippe gemischt, beim leerstehenden Nachbargrundstück! Der war echt Hammer! Zuerst hat er gebetet, kreuz geschlagen auf der Brust,
dann ging das Mischen los mit der Schippe. Echte Handwerkskunst. Und er hat sich bedankt nächsten Tag, weil ich habe ihm ein Bier hingestellt, mit der Bitte, nach getaner Arbeit!)))..Achso.. Kreditgeber für die "Ruine" ist ein Italiener! ..


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