Als auf Kuba das Weihnachtsfest ausfiel

20.12.2006 07:54
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#1 Als auf Kuba das Weihnachtsfest ausfiel
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Rey/Reina del Foro

Der chilenische Autor und Diplomat Jorge Edwards über Castros Politik der 70er Jahre
Als auf Kuba das Weihnachtsfest ausfiel

Zehn Millionen Tonnen Zucker sind die Planvorgabe zur Ernte, doch schon bald wird klar, dass dies nicht eingehalten werden kann. Offen bleibt die Frage, ob es sieben oder gar nur sechs Tonnen werden, und was dies für die Volkswirtschaft bedeutet. Das sind die Probleme einer zentral gesteuerten Planwirtschaft, typisch für sozialistisch oder kommunistisch gesteuerte Länder, heute also weit gehend Geschichte. In diesem Buch wird diese Zeit wieder sehr lebendig, denn geschrieben wurde es Anfang der 70er Jahre, erst jetzt wurde es ins Deutsche übersetzt.

Begleitet von vielen Hoffnungen wurde Salvador Allende im September 1970 Präsident in Chile. So nahm er diplomatischen Kontakt mit Kuba auf. Für diese Aufgabe wurde Jorge Edwards bestimmt, Schriftsteller und Sohn einer Diplomatenfamilie, bei seinem Antritt in Havanna noch Verehrer von Fidel Castros Reformen. War es Absicht, Schlamperei oder Nachlässigkeit? - Edwards landet in Havanna, will in den Diplomatenbereich, doch dort wird er zunächst abgewiesen.

Edwards wird diesem Phänomen noch öfters begegnen: Dinge werden in Aussicht gestellt, doch verzögert sich die Ausführung oder findet nicht statt. Anderes wie ein intimes Gespräch mit Castro wird möglich ohne Vorankündigung. Lange gibt es keine eigenen Räume für die chilenische Botschaft, ein weiteres Hotelzimmer muss genügen. Lange bleiben ihm die obersten Stockwerke des Hotels verschlossen, und als er sie doch betreten kann, eröffnet sich ihm eine Pracht aus der Zeit, als die Amerikaner Kuba als ihre Vergnügungsinsel betrachteten.

Man könnte dies und vieles andere heute als die übliche Reibungsfläche in einem Diplomatenleben abtun, doch Edwards bettet dies ein in eine zunehmend kritischere Sicht auf Castros Reformwerk. Ein Thema, das ihn immer wieder beschäftigt, ist die Möglichkeit, dass alle Gespräche abgehört werden können. Dennoch ist er ein zu wacher Geist, um stumm zu bleiben. Und zu bereden und zu bewerten gibt es viel: Wie hätte sich der Sozialismus à la Dubcek in der Tschechoslowakei entwickeln können, ist nicht der Radikalansatz von Pol Pot konsequenter? Was bedeutet der sowjetische Einmarsch in Prag für den Kommunismus in Lateinamerika?

Die Antworten darauf sind längst Geschichte, zum Teil mit einigen viel zu blutigen Kapiteln. Sie sind damit eine Lehrstunde auch der Irrungen, in der sich Ironie und Bitterkeit mischen. Was ist etwa zu halten von Castros Ankündigung am 7. Dezember 1970, dass das Weihnachtsfest in diesem Jahr ausfällt, damit der Plan zur Zuckerrohrernte gehalten werden kann? - Einige Diplomaten brauchten sich dennoch nicht zu beklagen. Von diversen Ministerien bekam Edwards einen riesigen Truthahn sowie einen Korb mit Meeresfrüchten zugesandt. Etliche Vorsichtsmaßnahmen waren vonnöten, bis endlich an einem verborgenen Ort in einem verschworenen Kreis geschlemmt werden konnte. Armin Friedl

Jorge Edwards: Persona non grata. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin. 288 Seiten. 22,50 Euro.
Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/st...htag=2006-12-20



Nos vemos
Dirk
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