Leben zwischen Dollars, Pesos und Franken

13.12.2004 17:07
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Rey/Reina del Foro

RUEDERTAL/SANTIAGO DE CUBA
Leben zwischen Dollars, Pesos und Franken

Rudolf Wydler wird seit seiner Kindheit, als er Schlagzeug spielte, Bongo genannt. Weilt er in der Schweiz, lebt der Mitbegründer der Schürmüli-Musig in der Schürmüli in Walde; seit fünf Jahren ist er auch in Kuba zu Hause, wohin ihn seine Leidenschaft gezogen hat: die Musik.

Wer wandert freiwillig in ein sozialistisch regiertes Land aus? Bongo Wydler tats vor fünf Jahren. Die Musik, nicht die Politik lockte ihn, der 1990 Fidel Castros Insel erstmals besuchte. Und zwar auf der Suche nach dem Musikstil «Son», der Urform der Salsa-Musik. «Ich wohnte in einem günstigen Hotel, und jeden Morgen hat da eine Salsa-Gruppe für den Auftritt am Abend geprobt», erinnert sich Wydler. Zwei Jahre später kam er wieder; mit dem Bandleader Geovanis Alcantara schloss er Freundschaft, und bei dessen Mutter konnte er bei seinen Kuba-Besuchen für 50 Dollar pro Woche leben.

CD-Markt im Krebsgang

Das Gründungsmitglied der Schürmüli-Musig versuchte sich in Kuba als Musikproduzent, und das mit einigem Erfolg. Alcantara hat Mikrofone, Bandmaschinen und Mischpult ins Land geschafft, und dann gings in Eigenregie los. «Mit Tiburon, den in Kuba jedes Kind kennt, habe ich eine CD gemacht, die sich in der Hitparade von Havanna lange halten konnte», sagt er und ergänzt, dass diese Parade nicht auf CD-Verkäufen, sondern auf Hörerwünschen beruhe. Womit ein zentrales Problem angesprochen ist. Er hat seine CDs über ein deutsches Label vertrieben, und Tiburon war auch in den Latin-Charts von Los Angeles. «Letztes Jahr erhielt ich von dieser CD noch 2000 Euro», sagt Wydler, stellt aber fest, dass der CD-Markt eingebrochen ist. In allen Sparten sei das spürbar, bei der kubanischen Musik nach dem Hoch mit dem «Buenavista Social Club» aber besonders dramatisch.

Bongo Wydlers Vision

«Im Moment sieht es nicht rosig aus», gesteht Bongo Wydler, «ich muss mich anders orientieren.» Projekte scheiterten an politischen Hürden - singende Kinder erhielten keine Ausreisebewilligung für eine Tournee - oder schlicht am Geld. Kubaner können für Aufnahmen nicht einmal so viel bezahlen, wie Wydler für Unterhalt und Wartung seiner Anlagen braucht. Seine Vision: Musikern aus dem Ausland anbieten, in Kuba Aufnahmen zu machen. Da sieht er ein Potenzial, und es muss auch nicht kubanische Musik sein. «Für eine klassische Sängerin könnte ich beispielsweise mit dem Sinfonieorchester von Santiago Konzerte organisieren und dann eine CD produzieren.» Das ginge als Kulturaustausch auch politisch durch. Unterdessen hat Bongo Wydler eine Aufenthaltsbewilligung, was ihm einiges erleichtert. Er kann jetzt auch zu den Tarifen Einheimischer (mit langen Wartezeiten, dafür 27 Mal günstiger) reisen und kennt die entscheidenden Leute bei den staatlichen Kulturorganisationen.

Am internationalen Festival de Caribe im Juni dieses Jahres in Santiago de Cuba traten Barbara Schirmer von der Schürmüli mit dem Hackbrett und Bongo Wydler mit der Bassgitarre zusammen mit Musikern und Tänzern aus Kuba auf. Aus Kostengründen und weil es Probleme mit Probelokal und Transportmitteln gab, musste das Projekt mit Musik, Tanz, Wort und Gesang redimensioniert werden. «Das ist auch Kuba», sagt Bongo, «wenn Barbara nicht selber Geld eingeschossen hätte und allen Akteuren pro Probe oder Auftritt einen Dollar bezahlt hätte, wärs nicht gegangen.» Er ist froh um Aufträge in der Schweiz. So hat er unter anderem eine CD mit Mundarttexten von Aargauer Autoren und Musik von Barbara Schirmer aufnehmen können. Und eine Demo-CD für die Schürmüli-Musig.

«Ich brauche keine Agenda»

Eigentlich möchte Bongo Wydler in Kuba sein Geld verdienen. Doch das ist nicht so leicht in einem Land, wo auch ein Arzt mit 25 Dollar Monatsverdienst auf «irgendwelches Business» als Nebenerwerb angewiesen ist. Kuba sei ein Museum, sagt er, und wenn das System zusammenbreche, so befürchtet er, sei es auch vorbei mit dem kulturellen Reichtum des Landes. Und gerade der hält ihn in diesem Land, zusammen mit dem Klima und einer Lebensweise, bei der die Leute Zeit hätten: «Ich brauche keine Agenda.» Zurück in Kuba wird Bongo Wydler (bongo_wydler@yahoo.com) nächste Woche für einen welschen Perkussionisten eine Gruppe von Schweizern betreuen: Perkussions- und Tanzlehrer engagieren, Unterkunft besorgen, Ausgang begleiten. Das könnte zu einem wichtigen Standbein werden. Vielleicht aber auch muss er einsehen, dass es nicht geht, in Kuba von seiner Arbeit zu leben. Dann würde er das tun, was in den letzten Jahren zu kurz gekommen sei: wieder vermehrt selber musizieren, in einer kubanischen Son-Gruppe den Bass zupfen, ohne den Druck, etwas verdienen zu müssen. Und in der Schweiz temporär einem Broterwerb nachgehen. Geovanis Alcantara lebt inzwischen in Mexiko. (mz/wpo/bgu)

Quelle


Cuba-Reiseinfos
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