»Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«

28.06.2007 21:52
#1 »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

»Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
Die Linksintellektuelle López Maya über die Lage in Venezuela

Margarita López Maya (56) ist eine der wichtigsten Linksintellektuellen Venezuelas. In den letzten Jahren konzentrierte sich die Sozialhistorikerin der Zentraluniversität in Caracas auf die Analyse und kritische Begleitung der von Hugo Chávez angeführten »bolivarianischen Revolution«. Derzeit schreibt sie für die Tageszeitung »Últimas Noticias« und die chavisitische Website http://www.aporrea.org Kolumnen im 14-Tage-Rhythmus. Mit ihr sprach Gerhard Dilger.

ND: Nach der Schließung des regierungskritischen Fernsehsenders RCTV durch Hugo Chávez ist es in und um Venezuela wieder ruhiger geworden. Was bleibt?
Maya: Die Studentenbewegung. In Venezuela hat sie eine lange Tradition des Kampfes auf der Straße, und jetzt ist sie wieder aufgetaucht. In Lateinamerika werden die Studenten aktiv, wenn es eine politische Krise gibt, die Parteien schwach sind, es in der Gesellschaft brodelt und sich dieses Gefühl nicht politisch ausdrücken kann.

Was ist das für ein Gefühl?
In den letzten Monaten hat sich die Regierung Chávez stark radikalisiert, der Personenkult nimmt zu, es zeigen sich autoritäre Tendenzen. Es gibt klare Anzeichen, dass der Pluralismus, die Unabhängigkeit öffentlicher Instanzen, die Gewaltenteilung abgebaut werden.

Es geht also um mehr als einen Telenovela-Sender?
Ja. Die Schließung von RCTV war der Auslöser für die Proteste von Studenten von privaten und von öffentlichen Universitäten. Sie treten für die Meinungsfreiheit ein, für die Autonomie der Universitäten und für die bürgerlichen Rechte, von denen sie meinen, dass sie beschnitten werden.

Und die Gegendemonstrationen der Pro-Chávez-Studenten?
Venezuela ist eine sehr polarisierte Gesellschaft. Das ist eine ganz natürliche Gegenreaktion, um die Regierung zu unterstützen. Das Beste daran ist, dass so ein neuer Dialog entstanden ist.

Bereut Chávez seinen Schritt vielleicht insgeheim?
Das glaube ich nicht. Er hatte wohl eher eine Konfrontation zwischen Chavistas und Antichavistas mit ihren Medien erwartet, so wie 2002/2003, weniger das Erstarken der Studentenbewegung. Aber offenbar hat er gemerkt, dass er vor einem schwierigeren Problem steht, als er anfangs dachte.

Wie einheitlich ist das chavistische Lager überhaupt?
Über jede Regierungsmaßnahme wird gestritten, aber diese Debatten werden kaum sichtbar. Chávez stigmatisiert oft die, die anderer Meinung sind als er, und deswegen wollen die meisten Chavistas ihre Kritik nicht öffentlich machen.

Hat Chávez noch Kontakt mit Leuten, die abweichende Meinungen äußern?
Sehr tolerant war er noch nie. Allerdings hat er gemerkt, dass er viele Leute nicht so leicht auf seinem Weg mitnehmen kann. Im Dezember und Januar hatte er es noch sehr eilig mit der Verfassungsreform, jetzt hat er sie auf 2008 verschoben. Die Idee von der unendlichen Wiederwahl ist auch bei den Chavistas nicht gut angekommen.

Wie verläuft denn die Gründung der sozialistischen Einheitspartei?
Grauenhaft. Die öffentlichen Angestellten stehen unter großem Druck, Mitglied zu werden, und haben Angst, sonst ihren Job zu verlieren. Chávez will die kleinen Parteien zur Selbstauflösung zwingen. Für die Einschreibungskampagnen werden staatliche Strukturen und öffentliche Gelder geradezu schamlos genutzt. Offenbar soll eine Staatspartei nach dem Vorbild Kubas oder der gescheiterten Sozialismen geformt werden. Das Anliegen der Regierung, ihre fragmentierte Basis zu einigen, war legitim. Aber so hat sie es verspielt.
[...]

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=111799&IDC=2

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28.06.2007 22:06
#2 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Forums-Senator/in

Interessant.

EHB, einge wichtige Aussagen aus dem Interview mit Frau López Maya hast du nicht hervorgehoben, so z.B. diese:
"Aber den Leuten geht es unter Chávez doch jetzt besser.
Natürlich haben viel mehr Venezolaner Zugang zu Gesundheit und Bildung als früher. Armut und Elend sind deutlich zurückgegangen. Und an der Basis geht es sehr dynamisch zu, dort gründen sich viele neue Organisationen.
"

Ansonsten gilt: Wir Linksintellektuellen beobachten das Ganze aufmerksam und können weiterhin feststellen: Alles noch im grünen Bereich!!

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„Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“
Winston Churchill

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28.06.2007 22:30
#3 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

Zitat von chavalito
EHB, einge wichtige Aussagen aus dem Interview mit Frau López Maya hast du nicht hervorgehoben,

Scheiße, enttarnt. Aber da hier Vollzitate "verboten" sind, habe ich leicht gekürzt, aber wie immer kenntlich gemacht, dass es online weiter geht.

Zu deiner Anmerkung: Das was man von in Venezuela lebenden Deutschen z.Z. so hört und liest, kommt leider nicht ganz so positiv rüber. Und auch nach CIA-World-Factbook lebten Ende 2005 noch fast 38% unter der Armutsgrenze (ich glaube nach Weltbankdefinition, bin mir aber nicht sicher). Für ein ölreiches, seit 7 Jahren sozialistisch regiertes Land nicht gerade eine berauschende Entwicklung.

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30.06.2007 00:42
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#4 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Zitat von ElHombreBlanco

Zu deiner Anmerkung: Das was man von in Venezuela lebenden Deutschen z.Z. so hört und liest, kommt leider nicht ganz so positiv rüber. Und auch nach CIA-World-Factbook lebten Ende 2005 noch fast 38% unter der Armutsgrenze (ich glaube nach Weltbankdefinition, bin mir aber nicht sicher). Für ein ölreiches, seit 7 Jahren sozialistisch regiertes Land nicht gerade eine berauschende Entwicklung.


Ich glaube, Chavez hat Venezuela mit einer Armutsquote von 80% übernommen. Da kann man 38% durchaus als Fortschritt bezeichen.
Ist halt alles relativ.

Das "CIA-Fact-Book" als Informationsquelle ernsthaft heranzuziehen, ist ja wohl auch nicht mehr als einen mitleidigen Seufzer wert.

Also -mangels entsprechendem tool-

Seufz

Dagmar


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30.06.2007 00:51 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 01:08)
#5 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro
Zitat von dama
Ich glaube, Chavez hat Venezuela mit einer Armutsquote von 80% übernommen.

Was du glaubst, spielt hier keine Rolle, mich interessieren nur Fakten.

In Antwort auf:
Das "CIA-Fact-Book" als Informationsquelle ernsthaft heranzuziehen, ist ja wohl auch nicht mehr als einen mitleidigen Seufzer wert.

Wenn man keine Ahnung hat, sollte man den Mund (bzw. die Finger still) halten.

Wenn Dama bessere (glaubhaftere) Statistiken hat, darf sie die hier gerne anbringen. Ich bin nämlich wirklich auch an glaubhaften Zahlen aus der Vergangenheit interessiert, nur sollten sie zwecks Vergleichsmöglichkeit über die Jahre die gleiche nachvollziehbare Methodik verwenden.

Siehe auch:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hinte...politik/626873/
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30.06.2007 09:21 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 09:22)
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#6 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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In Antwort auf:
Wie verläuft denn die Gründung der sozialistischen Einheitspartei?
Grauenhaft. Die öffentlichen Angestellten stehen unter großem Druck, Mitglied zu werden, und haben Angst, sonst ihren Job zu verlieren. Chávez will die kleinen Parteien zur Selbstauflösung zwingen.


Wow was für demokratische Strukturen, erinnert stark an Deutschland 1933.

Dann sagt doch mal es gebe Armut in Venezuela, aber das hier zusagen ist feige, geht dafür gefälligst nach Venezuela. In Cuba gibt es ja auch keine Prostitution mehr seit der Revolution und Chavez hat die Armut vernichtet deshalb grassiert dort ja auch die Kriminalität. Wenn sich Investoren aus Venezuela zurück ziehen und Unternehmer das Land verlassen woher kommen dann die Jobs und der Wohlstand???? Mein Gott wird das geil werden wenn dennen das Oel ausgeht und plötzlich kein Geld mehr sprudelt und sie wieder arbeiten müssen und dann merken das sie ihr ganzes Geld verpulvert haben und man eben jetzt keine Industrie oder Tourismus mehr hat. Der Inselstaat Nauru lässt grüssen, Geschichte wiederholt sich immer wieder und alle Rohstoffe gehen mal zuneige.

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30.06.2007 09:35
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#7 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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( Gast )

In Antwort auf:
Gott wird das geil werden wenn dennen das Oel ausgeht und plötzlich kein Geld mehr sprudelt und sie wieder arbeiten müssen und dann merken das sie ihr ganzes Geld verpulvert haben und man eben jetzt keine Industrie oder Tourismus mehr hat.



Die verpulvern das Geld schon seit vierzig Jahren.Seit Chavez wird es nur anders verteilt.

Und nicht alles wird konsumiert. Ein Teil geht ja auch in die Ausbildung von Medizinern und Lehrern.

Esperro,
bist du sauer, weil du kein Medizin-Studium finanziert bekommen hast?


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30.06.2007 14:59
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#8 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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( Gast )

In Antwort auf:
Die verpulvern das Geld schon seit vierzig Jahren.Seit Chavez wird es nur anders verteilt.


Das ist korrekt nur wenn man eine Sau durch eine andere ersetzt verändert man nicht die Welt. Andernseits spielt es keine Role ob Chavez oder ein anderer Korrupter Politiker sich an dem Geld vergreift, die Maden sind alle gleich.

In Antwort auf:
Und nicht alles wird konsumiert. Ein Teil geht ja auch in die Ausbildung von Medizinern und Lehrern.

Toll und wie sollen die mal ihr Geld verdienen wenn das Oel alle ist?????? Da nützen ihnen ihre Diplome ebensowenig wie den Kubis.

Fakt ist ich freue mich auf den Tag wo das Venezuelanische Volk erwacht und merkt es sprudelt kein Oel mehr, man alle Investoren vergrault hat, das Land nieder gewirtschaftet ist und die einzige Freude noch ist das rote Fähnchen zuhiessen und ein Liedchen zu singen.

In Antwort auf:
Esperro,
bist du sauer, weil du kein Medizin-Studium finanziert bekommen hast?


Nein sauer bin ich nicht ich freue mich für die Glorreiche Zukunft der Venezuelaner dieses heroische Volk das einen tapferen Kampf gegen einen¨übermächtigen Feind kämpft und am Ende den totalen und radikalen End-Sieg gewinnen wird.


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30.06.2007 16:30 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 16:32)
avatar  derhelm
#9 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Bei den Reserven wird das Öl noch ein paar Jahrzehnte sprudeln. Ölreichtum ist aber nicht immer die Garantie für Entwicklung und Wohlstand für alle, denn im Ölgeschäft kann man gar nicht alle Venezolaner beschäftigen, es müssen schon andere Sektoren aufgebaut werden. Und daran hapert es momentan, die Produktion in anderen Bereichen geht schließlich zurück. Und die Armen dauerhaft von Transferleistungen abhängig zu machen ist auch der falsche Weg. Sie müssen Möglichkeiten bekommen ihren Unterhalt selbst zu bestreiten.

"In the poker game of life, women are the rake."

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30.06.2007 16:46
#10 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

Zitat von derhelm
Ölreichtum ist aber nicht immer die Garantie für Entwicklung und Wohlstand für alle,

Schon gar nicht, wenn nur mangelhaft in die Förderanlagen investiert wird: http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2246712,00.html

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30.06.2007 16:54
avatar  greenhorn ( gelöscht )
#11 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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greenhorn ( gelöscht )




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30.06.2007 17:01
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#12 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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( Gast )

In Antwort auf:
Toll und wie sollen die mal ihr Geld verdienen wenn das Oel alle ist?????? Da nützen ihnen ihre Diplome ebensowenig wie den Kubis.



Gut ausgebildet zu sein ist die beste Vorsorge für die Zukunft. Man kann nur hoffen dass Chavez sich von dem Weg, mit Hilfe der Kubaner, ein modernes Ausbildungs -und Universitätssystem aufzubauen, nicht abbringen lässt.




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30.06.2007 19:15
avatar  Alf
#13 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Alf
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In Antwort auf:
mit Hilfe der Kubaner, ein modernes Ausbildungs -und Universitätssystem aufzubauen,


Der war gut.


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30.06.2007 19:23
#14 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Top - Forenliebhaber/in

In Antwort auf:
Toll und wie sollen die mal ihr Geld verdienen wenn das Oel alle ist?


tja und vor allem wie kommst du dann zur arbeit oder zum druckablassen nach cuba ohne öl....hmmm

No Naim/ No Music

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30.06.2007 19:34 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 19:35)
avatar  Chris
#15 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

Artikel zum Thema:
http://www.zmag.de/artikel.php?id=951

Venezuelas Mission: der Kampf gegen die Armut

von Gregory Wilpert
ZNet 13.11.2003

ZNet > Lateinamerika > Venezuela

In den vergangenen zwei Jahren haben die Regierung und die Opposition viel Polemik (Aussagen ohne nennenswerte Informationen zum Thema, aber mit Anschuldigungen gegen den Gegner) zum Thema Armut ausgetauscht. Chávez wurde ursprünglich gewählt, weil er insbesondere den Bedürfnissen der Armen Venezuelas größere Aufmerksamkeit schenken wollte. Ohne Zweifel stellen die Armen auch die größte Chávez WählerInnengruppe. Meinungsumfragen, denen m. berechtigterweise die Objektivität absprechen kann, weil die AutorInnen gegenüber der Opposition voreingenommen sind, zeigen beständig, dass Chávez zu großen Teilen von den Armen Venezuelas unterstützt wird.

Nichtsdestotrotz argumentiert die Opposition bei ihren Bemühungen, mit der Hilfe von Armutsforschungszentren, wie der katholischen Universität Andrés Bello (UCAB), Chávez in Verruf zu bringen und Zweifel unter seinen AnhängerInnen zu streuen, dass die Armut während Chávez Amtszeit dramatisch angestiegen sei. Eine der favorisierten anti- Chávez Werbespots der Opposition, der immer dann regelmäßig gesendet wird, wenn die TV- Stationen für eine anti- Chávez Demonstration mobilisieren, zeigt eine arme Frau in einem venezolanischen Slum, die folgendes sagt: „Chávez sagte, er wolle die Armut beseitigen – in Wirklichkeit beseitigt er jedoch die Armen.“

Ob die Armut nun durch Chávez Maßnahmen angewachsen ist oder abgenommen hat, alle Seiten stimmen darin überein, dass die Armut das politische Thema Nummer 1 in Venezuela geworden ist, seitdem Chávez sein Amt angetreten hat. Die oppositionellen Parteien haben realisiert, dass sie eine glaubwürdige Alternative bieten müssen, wie die Armut bekämpft werden kann, wenn sie Chávez tatsächlich bei Wahlen schlagen wollen. Obwohl sie bislang noch kein Programm vorgestellt haben, haben sie aber eindeutig schon eines im Hinterkopf.

Ganz davon abgesehen, wie die Programme der Regierung und der Opposition aussehen, scheinen die Armutsdaten eine seltsamen Widerspruch aufzuweisen. Einerseits bestätigen viele Forschungszentren, dass die Armut seit Chávez Amtsantritt zugenommen hat. Andererseits deuten einige Indikatoren darauf hin, dass die Armut in den letzten fünf Jahren abgedämpft werden konnte. Ich werde im folgenden ein Teil diese Armutsdaten untersuchen und die Politik der Chávez Administration mit der Politik früherer Regierung vergleichen.

Armutsdaten

Es gab in den vergangenen 20 Jahren zwei schier unanfechtbare Trends in Venezuela, die sich tiefgreifend auf den Zuwachs der Armut ausgewirkt haben. Erstens, nimmt die Ungleichheit beständig zu. Zweitens sinkt gleichzeitig das pro Kopf Einkommen. Diese beiden Tendenzen sind der Grund für den größten Anstieg der Armutsrate in ganz Lateinamerika.

Der Standardindikator für Ungleichheit, der so genannte „Gini- Koeffizient“, mit dem die Einkommensunterschiede in jedem Staat festgestellt werden, weißt jedoch in den letzten knapp 30 Jahren keine bedeutenden Veränderungen auf. Zwischen 1971 und 1997 verschob er sich unregelmäßig, aber insgesamt pendelte er zwischen 0.45 und 0.50. Letztendlich gleichen sich die Werte für 1971 und 1997 fast.[1] Der Gini- Index berücksichtigt allerdings nur Lohn- und Gehaltsbezüge, nicht jedoch Kapitaleinnahmen. Andere Daten zeigen auch, dass in Venezuela in diesen 30 Jahren z.B. der Anteil des Kapitaleinkommens (Einkommen aus Kapitalinvestitionen) grundsätzlich stärker wächst als die Lohn- und Gehaltsbezüge. Eine Untersuchung von Francisco Rodriguez belegt z.B., dass Arbeit 11 Prozentpunkte am BSP an das Kapital zwischen den 70ern und 90ern verloren hat.[2]

Demzufolge ist laut Rodriguez die Ungleichheit in Venezuela, wenn m. die Kapitaleinkommen mit einfließen lässt, dramatisch angewachsen, so dass die venezolanische Gesellschaft mittlerweile eine der ungerechtesten auf der ganzen Welt ist und sogar Südafrika und Brasilien übertrifft.[3] Dies ist auf viele unterschiedliche Gründe zurück zu führen: der bedeutendste ist die Konzentration des Kapitals und der Zusammenbruch der Lohnerhöhungen in dieser Zeitspanne.

Zum Teil kann m. wiederum die Lohneinbrüche vom Rückgang der Öleinnahmen pro Kopf in Venezuela herleiten. Denn trotz der Verdoppelung der Ölexporte zwischen 1973 und 1983 sind die Öleinnahmen pro Kopf gesunken. Dies liegt hauptsächlich an den rückläufigen Ölpreisen, die von 15,92 U.S. Dollar pro Barrel im Jahre 1982 auf 3,19 U.S. Dollar pro Barrel im Jahr 1998 zurückgehen (beide Zahlen gemessen an den Preisen im Jahre 1973). [4] Der Wert der Ölexporte und der Exporte pro Kopf verringerte sich folglich von $955 1974 auf $384 neunzehn Jahre später 1993.[5]

Da die Öleinnahmen zu den Haupteinnahmequellen Venezuelas zählen, hatte ihr Rückgang, kombiniert mit der ansteigenden Ungleichheit in Venezuela, gewichtige Auswirkungen auf die Armutsrate. Die Armut wurde, abhängig von der Statistik und Methode, von 33% der Bevölkerung im Jahr 1975 auf 70% 1995 ausgeweitet. [6] Während sich die Armut verdoppelte, verdreifachte sich gar der Anteil der Haushalte, die in extremer Armut lebten von 15 auf 45%. Andere Messungen der Armut, insbesondere jene, die nicht ausschließlich auf den Einkommen beruhen, sind nicht derart extrem, aber alle skizzieren das Bild einer enormen Armutszunahme in Venezuela in den letzten 25 Jahren. Verglichen mit anderen Staaten in Lateinamerika hat Venezuela den größten Armutsanstieg in diesem Zeitraum zu verzeichnen und unter den größeren Staaten lebt der größte Bevölkerungsanteil in Venezuela in Armut.

Tendenzen, die parallel zu diesem Armutszuwachs auftreten, sind der dramatische Fall der Industrie- und Minimumlöhne, die bis auf 40% der entsprechenden Löhne aus dem Jahr 1980 gesunken und somit niedriger als im Jahr 1950 sind.[7] Der Gesamtanteil der Sozialausgaben am BIP (Bruttoinlandsprodukt) fiel von 8% 1987 auf 4,3% im Jahre 1997. Zudem wuchs der Bevölkerungsanteil, der in der informellen Wirtschaft „beschäftigt“ ist, von 34,5% 1980 auf 53% 1995. Letztendlich nahm das Maß der gewerkschaftlichen Organisation von 26,4% im Jahr 1988 auf 13,5% 1995 ab.

Seltsamerweise spiegelt der Human Development Index (HDI) Venezuelas, wie er vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) entwickelt wird, diese Armutstrends nicht wieder. Für die Berechnung des HDI werden nicht nur das pro Kopf Einkommen eines Staates sondern auch Gesundheits- und Bildungsstatistiken, wie die Sterblichkeits-, Einschulungs-, AlphabetenInnenraten sowie andere Maßstäbe berücksichtigt. Zwischen 1970 und 1990 stieg der HDI Venezuelas von 0,689 auf 0,821. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre ging er leicht zurück und wuchs dann wieder zwischen 1999 und 2001 – Hugo Chávez ersten Amtsjahren – auf 0,7694 (2001).[8]

Es gibt vielleicht zwei mögliche Haupterklärungsansätze für diesen scheinbaren Widerspruch. Die erste Möglichkeit besteht darin, dass infolge der angewachsenen Ungleichheit zwischen 1975 und 2000 der HDI der wohlhabendere Teil der Bevölkerung unproportional zum HDI des ärmeren Teils gestiegen ist, so dass der HDI der Gesamtbevölkerung zugenommen hat. Zweitens ist es möglich, dass, obwohl der arme Bevölkerungsteil gewachsen ist, ihr HDI ebenso wie der Wert der Gesamtbevölkerung gestiegen ist, weil Regierungsmaßnahmen das nationale Sicherheitssystem gestärkt haben. Trotz fehlender konkreter Daten, die das Argument bestätigen, vermute ich, dass eine Auswertung der Armutspolitik belegte, dass die Verbesserung des HDI während Chávez Präsidentschaft hauptsächlich auf die erneuerte Politik der öffentlichen Hand zurückzuführen ist, die sich auf die Armen des Landes konzentriert.

Armutsbekämpfung vor Chávez

Die Bewertung der Armutsbekämpfung in Venezuela vor der Amtsübernahme von Chávez folgte der allgemeinen Entwicklung der Armut und der Wirtschaft, die eine Aufbauphase während der Boomjahre Mitte der 70er bis Mitte der 80er, und einem Abbau (der sich auch im Rückgang der Sozialausgaben bemerkbar machte) während des Abschwungs, Ende der 80er bis in die späten 90er Jahre, erfuhr. Vor dem Ölboom bildete das Landreformprogramm der Regierung, in dessen Verlauf Land an 150.000 Familien Anfang der 1960er Jahre neu verteilt wurde, das Hauptmittel im Kampf gegen die Armut. Nichtsdestotrotz beabsichtigte Venezuela aufgrund des Ölbooms, ein moderner, industrialisierter Staat zu werden, und vernachlässigte demzufolge das Landreformprogramm zugunsten von Programmen, die den Staat von der Landwirtschaft wegführen sollten. In den Boomjahren war Armutsbekämpfung gleichbedeutend mit freier, universeller Bildung, freier Gesundheitsversorgung, würdigen Mindestlöhnen und massiven öffentlichen Arbeitsprogrammen. Doch alle diese Maßnahmen hingen von den hohen Öleinnahmen ab, leisteten jedoch letztendlich einen eindeutigen Beitrag zur Reduzierung (Senkung, Abnahme) der Armut in Venezuela. Natürlich existierten auch noch andere soziale Hilfssysteme, die aber alle an Klientelismus (nur für ein bestimmtes Klientel/eine bestimmte Gruppe gedacht) und Paternalismus („Fürsorge“ durch eine Person, die über die zu versorgende Person herrscht) litten.

Während des ca. 15 Jahre anhaltenden Abschwungs, der Mitte der 80er einsetzte, begünstigten die bedeutendsten Maßnahmen, von denen ursprünglich die Armen des Landes profitieren sollten, schließlich nur noch die Mittelklasse. Als der Staat ärmer und ärmer wurde und die mittleren Löhne dramatisch sanken, konnte die Mittelklasse die private Gesundheitsabsicherung und die private Bildung nicht mehr länger bezahlen. Folglich übernahm die Mittelklasse schrittweise das öffentliche Bildungs- und Gesundheitssystem. Außerdem wandelten sich nach und nach andere Programme, die auf die Bedürfnisse der ArbeiterInnen abzielten, wie die Unterstützung beim Häuserkauf, Stipendien für Auslandsstudien oder das steuerfreie Auto zu einer Politik, die nahezu ausschließlich die Mittelklasse förderte.

Ein wichtiger Faktor in der Entwicklung des allmählichen Klassenaustausches innerhalb des staatlichen Wohlfahrtssystems kennzeichnet, dass die Dienstleistungen nicht mehr länger kostenlos erbracht worden sind. Für die öffentliche Bildung z.B. wurden stufenweise Anmeldegebühren erhoben und die Kosten für Schulmaterialien nahmen erheblich zu. In ähnlicher Weise verhielt es sich mit der Gesundheitsversorgung. Während normalerweise Leistungen unentgeltlich oder gegen eine geringe Bezahlung gewährt worden waren, mussten die PatientInnen nun alle Behandlungen selbständig finanzieren. Die sporadischen Umschwünge zu einer neoliberalen Wirtschaftspolitik seitens der Administration unter Carlos Andrés Perez (1989 – 1993) und gegen Ende der Amtszeit von Rafael Caldera verschlimmerten aufgrund von Privatisierungen, Kürzungen der Sozialausgaben und steigender Kosten der Sozialleistungen darüber hinaus noch die Armutsprobleme in Venezuela.

Es veränderte sich nicht nur die Zielgruppe der Regierungspolitik hin zur Mittelklasse sondern auch die Armut selbst. Zusätzlich zu dem von ihr betroffenen, wesentlich angewachsenen Bevölkerungsanteil weitete sich die Armut ebenso auf die, gemessen an ihrer (Aus-)Bildung, vermeintliche Mittelklasse aus. Armut wurde somit zu einem weitaus allgemeineren Problem unterschiedlicher Bevölkerungsteile. Außerdem erstreckte sich Armut infolge von riesigen Migrationsströmen aus Kolumbien und anderen lateinamerikanischen Staaten auch auf verschiedene Ethnien. Während Calderas zweiten Amtszeit (1994 – 1998) schrumpften dann die Staatsressourcen zur Milderung der Armut in solchem Maße, dass kaum ein Programm mehr existierte, das die Armen direkt begünstigt hätte.

Armutsbekämpfung während Chávez Amtszeit

Plan Bolivar 2000

Chávez ist auf der Basis von drei Versprechungen 1998 ins Amt gewählt worden: erstens, versprach er, mit dem alten venezolanischen Politiksystem zu brechen, das als „puntofijismo“ bekannt ist und nach dem Ort Punto Fijo benannt wurde, wo Christ- (Copei)und Sozialdemokraten (Acción Democrática) einen Vertrag unterzeichneten, mit dem das politisches System Venezuelas auf den Wettbewerb zwischen diesen beiden Parteien beschränkt worden ist. Zweitens will Chávez die Korruption beseitigen. Und drittens versicherte er, die Armut in Venezuela zu mindern.

Chávez widmete sein erstes Amtsjahr, 1999, dem Bruch mit dem puntofijo- System indem eine neue Verfassung geschaffen wurde. Aufgrund der Rezession (wirtschaftliche(r) Abschwung/Krise), die Venezuela 1999 schwer traf, standen nur wenige Ressourcen zur Armutsbekämpfung zur Verfügung. Aus diesem Grund konzentrierte er sich auch auf eine relativ teuere Institution in Venezuela, die aber nicht viel zum sozialen Fortschritt beitrug: das Militär. Das heißt, er ordnete allen Rängen des Militärs an, Programme zu erstellen, die die Armen unterstützen. Der allgemeine Name für diese zivil- militärische Programme lautete „Plan Bolivar 2000“. Jeder Teil des Militärs entwickelte eine eigenes Programm im Rahmen dieses großen Programmes.

Die Luftwaffe schuf einen Plan, Menschen, die eine Reise nicht bezahlen können, aber dringend darauf angewiesen sind, kostenlos in verschiedene Teile des Landes zu transportieren. Die Navy entwickelte den Plan Pescar 2000 (Fischfang), der Arbeiten wie das Reparieren von Kühlschränken, die Organisation von Kooperativen sowie Unterricht umfasste. Die Nationalgarde übernahm Polizeiaktivitäten, insbesondere in Gebieten, wo die Präsenz des Staates nur minimal ist. Ein weiteres Programm ist Plan Avispa, der ebenfalls von der Nationalgarde organisiert worden ist und darin besteht, Häuser für Mittellose zu bauen. Plan Reviba beinhaltete ähnliches, nur dass nicht neue Häuser von Grund auf gebaut wurden sondern alte saniert worden sind. Nahrungsverteilung in entlegenere Gebiete des Lande stellten einen anderen Aspekt des Plan Bolivar dar.

Während der Umsetzung, von 1999 bis 2001, erzeugte der Plan Bolivar viele Kontroversen. Der vielleicht bedeutendste Einwand, der gegen ihn eingebracht wurde, war, dass die Umsetzung schlecht organisiert und die Transparenz nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dementsprechend wurden diverse (verschiedene) Korruptionsvorwürfe gegen die für das Programm verantwortlichen Offiziere erhoben.

Nichtsdestotrotz sind durch den Plan Bolivar 2000 letztlich 3.000 Schulen, Krankenhäusern, Kliniken, Wohnungen, Kirchen und Parks repariert worden. Über zwei Millionen Menschen erhielten medizinische Versorgung. Annähernd 1.000 preisgünstige Supermärkte wurden eröffnet, über zwei Millionen Kinder wurden geimpft und tausende Tonnen Müll wurden gesammelt, um nur einige Erfolge des Programms anzuführen.

Sicherlich besaßen Teile des Programms eine ad- hoc Natur, weil Regierungsbeamte und Militäroffiziere ein soziales Problem identifizierten und anschließend versuchten, eine kurzfristige Lösung zu finden. Während dies eine stichhaltige Kritik ist, muss m. das Programm allerdings vor dem Hintergrund extremer Ressourcenengpässe bewerten, da sich Venezuelas Wirtschaft 1999 in einer Krise befand. Zudem verloren zehntausend Menschen während des Vargas Disasters durch Schlammlawinen ihr Leben und hunderttausend ihr Dach über dem Kopf genommen wurde. Allein der Eigentumsschaden wird auf knapp 4 Milliarden U.S. Dollar geschätzt. Angesichts der enormen Probleme, der fehlenden Ressourcen, und des Hauptaugenmerks auf die neue Verfassung, barg der Plan Bolivar 2000 für die Armen Bevölkerungsteile Venezuelas ein bedeutendes Zeichen, das wiederum positive Auswirkungen auf den venezolanischen Human Development Index (HDI) hatte.

Mission Chávez: Lang- und mittelfristige Armutsbekämpfung

Bis 2001/2002 dauerte es, bis die Regierung Chávez fähig war, sich auf eine makroökonomischere (Makroökonomie: das Betrachten und die Behandlung der Wirtschaftssubjekte als Zusammenschlüsse z.B. die Haushalte, die Unternehmen etc.) Politik zu konzentrieren, um die Armut zu senken. Die bedeutendsten Elemente dieses Plans bildeten die Reduzierung der Inflation, die Diversifikation (Ausrichtung der Wirtschaft auf viele verschieden Bereiche, um möglichst viele Produkte selber zu produzieren) der Wirtschaft und eine Erhöhung der Öleinnahmen. Alle diese Punkte zählten auch in der einen oder anderen Form zu den Zielen früherer Regierungen. Doch die meisten Regierungen verfehlten ihre Ziele. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Regierung Chávez, wenn sie die Möglichkeit erhält, mehr Erfolg haben wird.

Mit Hinsicht auf Programme, die besonders der kurzfristigen Bekämpfung der Armut gewidmet sind, war das Jahr 2002 ein weiteres Krisenjahr angesichts eines Coupversuchs, dreier von den ArbeitgeberInnen angeführter Generalstreiks sowie der Schließung und Sabotage der wichtigsten Industrie des Landes, der Ölindustrie. Folglich verfügte die Regierung nur über geringe Mittel für ein spezielles Armutbekämpfungsprogramm, das über die konstanten Maßnahmen hinausgeht. Die konstante oder mittelfristige Politik (da die Makroökonomie eher in langfristigen Maßnahmen kenntlich wird) setzt sich aus den städtischen und ländlichen Landreform- und den Kleinkreditprogrammen sowie den gesteigerten Ausgaben für die Grundschulbildung und die Anstrengungen, Kooperativen im gesamten Land zu gründen, zusammen.

Obgleich es noch viel zu früh ist, die langfristige Effektivität (Verhältnis von Aufwand und Ergebnis) dieser Programme im Kampf gegen die Armut zu beurteilen, wird unter ArmutsforscherInnen einhellig die Meinung vertreten, dass Landverteilung, das Angebot von Bildungsmöglichkeiten und die Förderung von kleinen, privaten Unternehmen den Menschen dabei helfen, einen Ausweg aus der Armut zu finden. Lassen Sie uns also im folgenden einen kurzen Blick auf diese Maßnahmen werfen:

Landreform in den ländlichen Gebieten

Venezuelas Landreformprogramm für die ländlichen Gebiete ist eines der Schlüsselprojekte in Chávez Amtszeit. Als es im November 2001 debattiert wurde, zählte es zu den Gesetzen des 49 Gesetze umfassenden und später verabschiedeten Pakets, das die Opposition erbittert bekämpfte. Das Gesetz spricht jede(r,m) erwachsenen VenezolanerIn grundsätzlich das Anrecht auf ein Stück Land für ihre/seine Familie zu, solange einige Grundvoraussetzungen erfüllt werden.

Dieses Land soll von staatlichem Landbesitz abgezweigt werden, der enorm ist und zu den landwirtschaftlich nützlichsten Flächen in Venezuela zählt. Darüber hinaus ermöglicht das Gesetz dem Staat, privates Land neu zu verteilen, wenn eine Person zwischen mehr als 100 Hektar qualitativ hochwertigen und 5.000 Hektar qualitativ minderwertigen Land besitzt. Das Land würde zu Marktpreisen enteignet. Folglich ist das venezolanische Landreformprogramm relativ harmlos im Vergleich mit den Landreformen, die in der Geschichte beschlossen wurden.

Das Landreformprogramm lief nur langsam an, hauptsächlich weil die notwendige Infrastruktur erst geschaffen werden musste. Während die Regierung im Jahr 2002 sehr wenig Land umverteilt hatte, erhielten im Folgejahr knapp 130.000 Familien 1,5 Millionen Hektar. Das bedeutet, dass jeder Familie im Durchschnitt 11,5 Hektar zugesprochen wurden und insgesamt 650,000 Menschen von den Maßnahmen profitiert haben (auf einer Berechnungsgrundlage von fünf Personen pro Haushalt). Es sollte dazu gesagt werden, dass bislang noch kein Land enteignet worden ist. Nichtsdestotrotz sind mehrere Konflikte ausgebrochen, weil die Regierung Land als staatliches Eigentum deklariert hat, von dem GroßgrundbesitzerInnen behaupteten, dass es ihnen gehöre, obwohl sie keine entsprechenden Besitzurkunden vorweisen konnten, um ihren vermeintlichen Anspruch zu belegen.

Die Landreform soll ein umfassendes Programm sein. Folglich sollen auch die Probleme ähnlicher Vorhaben an anderen Orten vermieden werden indem sichergestellt wird, dass die neuen FarmerInnen über die notwendigen Fähigkeiten, Kredite, Technologien und Marketingkanäle verfügen, damit sie sich tatsächlich von ihrem neu erworbenen Land ernähren können. Dementsprechend ist zusätzlich zum Nationalen Landinstitut (INTI) eine andere Institution entwickelt worden, die Kredite bereit stellt, die für die Landwirtschaft nötigen Fähigkeiten vermittelt und die eine Marketingorganisation für Agrarprodukte geschaffen hat, die von den Begünstigten der Landreform produziert wurden.

Insgesamt dient das Landreformprogramm für die ländlichen Gebiete sowohl langfristigen als auch kurzfristigen Zielen. Langfristige soll somit ein Beitrag zur Diversifikation (Aus-, Aufbau verschiedener Wirtschaftszweige, die parallel existieren) der venezolanischen Wirtschaft und zur Herstellung „Nahrungsmittelsouveränität“ geleistet werden, d.h., dass Venezuela den eigenen Bedarf an Nahrungsmittel selbst produzieren und dessen Deckung gewährleisten kann. Mittelfristig soll mit Hilfe des Programms die Armut auf dem Land (und in den Städten, in sehr geringem Maße, indem die Menschen sich entscheiden, aus den Slums der Städte in die ländlichen Gegenden zu ziehen) gesenkt werden.

Landreform in den Städten

Eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung der Armut, die die Regierung Chávez eingeleitet hat, ist die Landreform in den Städten, der zufolge das Land der barrios, der Slums in den Städten, an seine EinwohnerInnen übergehen soll. Das Konzept ähnelt Hernando de Sotos in Peru und anderen Staaten [9], allerdings wird das venezolanische Modell durch einige Elemente ergänzt, die dieses Programm zu einem Beispiel für andere Länder machen könnte.

Das Konzept der Landverteilung in den Städten berücksichtigt viele Probleme gleichzeitig. Erstens: Wenn die EinwohnerInnen der barrios den Titel für ihr selbst gebautes Haus im barrio erhalten, haben sie zum ersten Mal eine Sicherheit, dass das ihre Unterkunft ihnen gehört und nicht von den ursprünglichen BesitzerInnen wieder übernommen wird. Zweitens: Sie können ihre Unterkunft als eine Sicherheit für kleine Kredite vorweisen, um entweder bauliche Verbesserungen durchzuführen oder um eine bessere Unterkunft zu kaufen oder um in ein kleines Geschäft zu investieren. Drittens: Es wird ein echter Immobilienmarkt geschaffen, der, wenn er reguliert wird, die allgemeine Qualität der Nachbarschaft verbessern kann. Viertens: Der Prozess, Besitzurkunden in den Städten zu erhalten, ist ein kollektiver Prozess, der die Nachbarschaft zusammenführt, weil sie Interesse daran hat, die Infrastruktur der Nachbarschaft, wie Straßen, Sicherheit, Komfort, Zugang zu den Versorgungsleistungen, etc. zu verbessern.

Der letzte Aspekt, die kollektive Natur des Prozesses, ist die wohl innovativste Maßnahme des städtischen Umverteilungsplans der Regierung. Um einen Landtitel zu erhalten, müssen nämlich 100 bis 200 Familien in einer Nachbarschaft zusammen kommen und ein Landkomitee gründen, das dann in Zusammenarbeit mit der Regierung den Landbesitz der durch das Komitee vertretenen Familien regelt. Eine womöglich unbeabsichtigte positive Folge ist, dass das Komitees in vielen Fällen begonnen haben, sich mit einer ganzen Reihe anderer Fragen zu beschäftigen, die über die Verhandlungen über und den Erhalt der Landtitel hinausgehen. Es sind zudem Unterkomitees gegründet worden, die sich mit den öffentlichen Versorgungsbetrieben auseinandersetzen, wie den Wasserwerken, den Elektrizitätswerken, usw.. Die Landkomitees stellen somit zum ersten Mal PartnerInnen für die Regierungsorganisationen und –betriebe für direkte Gespräche. Zuvor waren diese Regierungsorganisationen und –betriebe gezwungen, mit lokalen Funktionären zu verhandeln, die im allgemeinen mit den Problemen der jeweiligen Nachbarschaften nicht ausreichend vertraut waren, um einzelne Unterschiede zu erkennen.

Bis jetzt basiert der städtische Landreformprozess noch auf einem Dekret des Präsidenten. Deswegen kann bislang nur Land an barrio- BewohnerInnen verteilt werden, das im Besitz der Regierung ist. Es wurde jedoch ein Gesetz entworfen, mit dessen Hilfe alle barrio- EinwohnerInnen an diesem Prozess teilhaben sollen, das aber zugunsten von tiefgreifenderen Gesetzen zurückgestellt worden ist. Nichtsdestotrotz können ein Drittel der barrio- EinwohnerInnen Landtitel erhalten, da schätzungsweise ein Drittel des barrio- Landes Regierungseigentum ist (ein weiteres Drittel ist in Privatbesitz während die Anrechte auf das letzte Drittel noch nicht geklärt werden konnten). Der Prozesss schreitet bisher nur extrem langsam voran, weil er aufgrund von vielen technischen und rechtlichen Schritten, ziemlich kompliziert ist. Bis November 2003 haben 45.000 Familien (225.000 Individuen) Titel zu ihren Unterkünften erhalten. Zusätzlich stehen noch 65.000 Familien (oder 330.000 Individuen) in der Warteschlange.

Die „soziale Wirtschaft“

Das Projekt „soziale Wirtschaft“ der Regierung Chávez ist nicht „nur“ eine Maßnahme zur Armutsbekämpfung sondern gleichzeitig ein zentrales Element in Chávez bolivarischen Vorhaben. Es soll also nicht nur die Armut mildern sondern auch eine gleichere, demokratischere und solidarischere Gesellschaft kreieren. Die Website der Regierung beschreibt die „soziale Wirtschaft“ anhand der folgenden sieben Grundpfeiler:[10]

Die soziale Wirtschaft ist eine alternative Wirtschaft.
In der demokratische und selbstbestimmtes Handeln dominiert.
Sie wird von Arbeitsformen vorangetrieben, die auf Partnerschaften und nicht auf Lohnverhältnissen aufbauen.
Die Produktionsmittel sind in kollektivem Besitz (mit Ausnahme von kleinen Unternehmen).
Gewinne werden gleichmäßig und gerecht verteilt.
Die Umwelt ist ihre solidarische Partnerin.
Sie ist autonom von den monopolistischen Zentren wirtschaftlicher oder politischer Macht.
Die oben angeführte Definition ist möglicherweise eine Idealvorstellung, da sie von einer Gruppe verfasst worden ist, die unter dem früheren Planungs- und Entwicklungsminister Felipe Perez und dem stellvertretenden Stadtplanungsminister Roland Denis arbeitete, die Anfang 2003 ihrer Posten enthoben wurden. Generell läuft das Regierungsprojekt der „sozialen Wirtschaft“ auf die Förderung von Kooperativen und eines Mikro- Finanzwesen hinaus.

Das Mikro- Finanzwesenprogramm ist in vielerlei Hinsicht dem Modell der Grameen Bank Bangladeschs nachempfunden und besitzt verschiedene institutionelle Basen. Erstens widmen sich einige Banken wie die Banco de la Mujer (Frauenbank), Bandes (Bank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung), Banfoandes (Bank zur Förderung der Andenregion) und die Banco del Pueblo (Bank des Volkes) direkt dem Mikro- Finanzwesen. Zusätzlich existieren Institutionen wie der Fonds zur Entwicklung des Mikro- Finanzwesens und das Ministerium zur Entwicklung der sozialen Wirtschaft. Außerdem werden die üblichen Banken mit einem umstrittenen Gesetz dazu verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Anleihen dem Mikro- Finanzwesen zur Verfügung zu stellen.

Von den oben genannten Banken sind zwischen 2001 und 2003 Mikro- Kredite im Wert von 50 Millionen U.S. Dollar vergeben worden. Die Frauenbank und die Bank des Volkes haben in diesen Jahren 70.000 Einzelkredite gestattet. Laut dem Minister für soziale Wirtschaft, Nelson Merentes, beabsichtige die Regierung, das Mikro- Kreditprogramm im kommenden Jahr zu verdreifachen. [11] Private und öffentliche Banken haben allein im Monat September 2003, Mikro- Kredite im Umfang von 75 Millionen U.S. Dollar vergeben.[12]

Die Kooperativen, die die zweite Dimension des Regierungsprojekts „soziale Wirtschaft“ bilden, zählen zu den Begünstigten des Mikro- Kreditprogramms. Als Chávez Regierung ins Amt gewählt wurde, gab es in Venezuela lediglich 800 Kooperativen während nun geschätzt wird, dass sich die Zahl auf 40.000 erhöht hat – eine Zunahme um das 50fache. Die aktive Förderung der Kooperativen kurbelt nicht nur den kleinen Geschäftssektor an, von dem bekannt ist, dass dort allgemein die ersten Arbeitsplätze in der Wirtschaft geschaffen werden, sie bewirkt auch eine größeren Ausgleich, weil die Mitglieder der Kooperativen ihr Einkommen gleichmäßiger als in gewöhnlichen Betrieben aufteilen.

Bolivarische Schulen und Tagesstätten

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, wurden nach und nach immer größere Teile der Armen aus Venezuelas freien Bildungssystem ausgeschlossen, als die Hürden für arme Kinder höher gesetzt worden sind. Diese Hürden nahmen überwiegend die Form von Anmeldegebühren an, die jede Schule individuell (einzeln) erhob, um oft auch den Mangel an öffentlichen Ressourcen auszugleichen, die sie zuvor von der Bundesregierung erhielten. Bis 1996 fiel der Anteil der öffentlichen Ausgaben für das Bildungssystem auf 2,1% des BIP.

Als die Regierung Chávez an die Macht kam, legte sie unter anderem ihr Hauptaugenmerk auf die Bildungsausgaben. Sie verdoppelte den Anteil am BIP bis zum Jahr 2001 auf 4,3% - einer der höchsten Werte in den vergangenen 20 Jahren. Ein Großteil des Geldes floß in den Neubau von Schulen und die Umwandlung von alten in „Bolivarische Schulen“.

Bolivarische Schulen sollen der Armut in Venezuela auf verschiedenen Wegen entgegenwirken. Erstens sind es Ganztagsschulen. Das befreit beide Elternteile von der Fürsorge rund um die Uhr und erlaubt ihnen, am Tag eine Arbeit aufzunehmen. Zudem ermöglicht das Ganztagsprogramm die Berücksichtigung kultureller und sportlicher Aktivitäten. Zweitens erhalten die SchülerInnen an Bolivarischen Schulen ein Frühstück, Mittagessen, einen Nachmittagssnack, regelmäßige Mahlzeiten also, die vielen armen Kinder in Venezuela bislang verwehrt wurden. Drittens sollen die Schulen enger in die Gemeinde integriert werden als die normalen, öffentlichen Schulen.

Seit 2003 sind annähernd 2.800 Bolivarische Schulen eröffnet worden, von denen die Hälfte neu gebaut wurde. Diese Schulen werden von 600.000 Kindern oder 12% aller Schulpflichtigen besucht.[13] Die Regierung sagt, dass durch die Abschaffung von Anmeldegebühren und durch die Ausdehnung des öffentlichen Schulsystems 1,5 Millionen Kinder in das öffentliche Schulsystem Venezuelas zwischen den Jahren 1999 und 2002 integriert worden seien, die zuvor ausgeschlossen worden wären. Der Anteil der venezolanischen Kinder, die eine Schule besuchen, ist folglich auch von 83% 1999 auf 90% 2002 gestiegen.

Der Plan Simoncito soll das Bolivarische Schulprogramm dadurch erweitern, dass Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren entgeltlos Kindertagesstätten besuchen und vor- schulische Bildung erhalten können, damit die Eltern den Lebensunterhalt sichern können. Da viele arme Haushalte von Alleinerziehenden geführt werden, die nur schwerlich das Arbeitsleben mit ihren elterlichen Aufgaben kombinieren können, unterstützt dieses Programm insbesondere Alleinerziehende, hauptsächliche Mütter.

Staatlich geförderte Tagesstätten sind nichts neues in Venezuela. Seit Ende der 1980er existieren solche Programme und wurden schrittweise ausgedehnt. Während 1989 nur 19.000 Kinder von staatlich unterstützten Tagesstättenprogrammen erfasst worden sind, wurden 1998 über 150.000 integriert. Nichtsdestotrotz sind die Tagesstättenprogramme seit der Amtsübernahme durch die Regierung Chávez weiter ausgebaut worden und binden heute 300.000 Kinder ein. Der Anteil der Tagesstätten besuchender Kinder stieg dadurch von 40 auf 45%.

Die Bolivarische Universität

Ebenso wie das Schulsystem stufenweise mehr und mehr Kinder ausschloss, konnten auch immer weniger Personen Universitäten besuchen. Diese Entwicklung wurde zudem dadurch beschleunigt, dass die venezolanische Bevölkerung in stärkerem Maß wuchs als das Universitätssystem. Während technisch gesehen jede/r, der/die einen Highschoolabschluss („bachiller“) besitzt, Zugang zu Universitäten hätten erhalten müssen, mussten die Universitäten den Zugang durch Eingangsprüfungen beschränken. Dementsprechend sind, wie in solchen Fällen normalerweise üblich, Studierende aus ärmeren oder ArbeiterInnenverhältnissen herausgefiltert worden. Ein entscheidender Faktor für diesen Filterprozess ist, dass Studierende aus der Mittel- und Oberklasse spezielle Vorbereitungskurse für die Eingangsprüfungen finanzieren können während ärmere Familien sich solche Maßnahmen schlichtweg nicht leisten können. Während 1984 70% der Studierenden aus ärmeren Verhältnissen zugelassen wurden, die sich für die Eingangsprüfungen bewarben, sank der Anteil bis 1998 auf 19%.[14] Für Studierende aus der ArbeiterInnenklasse fiel die Zulassungsrate gar von 67 auf 27%. Folglich wird geschätzt, dass über 400.000 VenezolanerInnen, die die formalen Anforderung erfüllen und die Universität besuchen wollen, nicht die Möglichkeit besitzen, weil ihre Ergebnisse bei den Eingangsprüfungen nicht ausreichen.

Die Bolivarische Universität Venezuelas (UBV) soll deswegen die Kluft zwischen der Universitäts- Nachfrage und dem Angebot schließen. Darüber hinaus soll sie auch vorwiegend Studierende aus ärmeren Verhältnissen zulassen. 2.400 Studierende sind bereits an der Universität eingeschrieben, die im Oktober 2003 ihre Arbeit aufnahmen, und weitere 20.000 wurden vorgemerkt. Die Universität wird im gesamten Land Zweigstellen eröffnen und soll letztendlich 100.000 Studierende ausbilden können. [15]

Kurzfristige Maßnahmen zur Armutsbekämpfung – Die Missionen

Angesichts der verheerenden Wirtschaftskrise, die der Coup im April 2002 und die Arbeitseinstellung in der Ölindustrie im Dezember 2002 hervorgerufen haben, standen nur noch wenige Ressourcen zur Verfügung, um die kurzfristigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut des Plan Bolivar fortzuführen. Folglich wurden auch in den Jahren 2002 und 2003 solchen Programmen lediglich geringfügige Mittel zugewiesen. Nichtsdestotrotz erholten sich die Staatsfinanzen zum Ende des Jahres 2003 und die Regierung konnte wieder kurzfristige Maßnahmen ergreifen. Das Vertrauensreferendum sowie die damit verbundene Notwendigkeit, die Popularität des Präsidenten zu steigern, haben allerdings wohl auch dazu beigetragen, dass die Entwicklung dieser Politik vorangetrieben worden ist.

Mission Robinson – Grundschulbildung

Bis Oktober 2003 gab Präsident Chávez sieben verschiedene „Missionen“ bekannt, mit denen die Armut bekämpft werden soll. Die Erste war die nach Simon Bolivars Lehrer, Simon „Robinson“ Rodriguez, benannte Mission Robinson. Mit der Mission Robinson sollen die Probleme des Analphabetismus angegangen werden. Obwohl die AnalphabetenInnenrate in Venezuela mit knapp 7% verhältnismäßig niedrig ist (für Lateinamerika und die Karibik liegt sie im Durchschnitt bei 11%), ist das AnalphabetInnentum einer der ausschlaggebenden Faktoren für Armut.

Deshalb hat Venezuela in Absprache und über ein Kooperationsabkommen mit Cuba hunderte cubanische ExpertInnen eingeladen, nach Venezuela zu kommen und LehrerInnen auszubilden. In der ersten Phase des Programms, die am 1. Juli 2003 begann, wurden den SchülerInnen das Lesen und Schreiben beigebracht indem eine cubanische Methode benutzt wurde, die auf Zahlen basiert, da viele AnalphabetInnen Zahlen kennen. Laut Regierungsangaben profitieren derzeit 1 Millionen VenezolanerInnen von diesen Maßnahmen und der Hilfe der über 100.000 LehrerInnen, die im gesamten Land arbeiten.

Die zweite Phase der Mission Robinson geht weit über das Lernen von Lesen und Schreiben hinaus. Alle TeilnehmerInnen sollen die gesamten Inhalte bis einschließlich zur 6. Klasse lernen. Das Programm ist sehr komprimiert, damit die SchülerInnen das Programm Robinson 2 in zwei Jahren absolvieren können und nicht die im Normalfall veranschlagten sechs Jahre benötigen. Mission Robinson II begann am 28. Oktober 2003. Es wird angestrebt, über 629.000 SchülerInnen in diesem Jahr aufzunehmen, von denen der Großteil bereits am ersten Programm teilgenommen hat.

Venezuelas Opposition behauptet, dass die Programme nur als Deckmäntel für ein cubanisches Indoktrinationsprogramm herhalten müssten. Doch ein flüchtiger Blick auf die verwendeten Materialien (so genannte „Büchereien“ bestehend aus einem Dutzend Büchern, die jeder Haushalt und jede/r TeilnehmerIn entgeltfrei erhält) und Gespräche mit den Menschen, die die Programme abgeschlossen haben, zeigen, dass diese Anschuldigungen völlig haltlos sind.

Mission Ribas – Weiterführende Bildung

Parallel zu den grundlegenden Bildungsprogrammen der Mission Robinson hat die Regierung die Mission Ribas, benannt nach dem Unabhängigkeitsheld José Felix Ribas, für Menschen entwickelt, die einst aus der Highschool ausgeschieden sind, um nun ihre Schulausbildung nachträglich zu beenden. Mission Ribas soll diese Personen in ein Bildungsprogramm integrieren, das ihnen erlaubt in maximal zwei Jahren einen Abschluss zu erhalten. Der Energie- und Minenminister, der einer der Hauptkoordinatoren des Programmes ist, gab Anfang November bekannt, dass ein wenig mehr als 700.000 VenezolanerInnen Interesse bekundet haben, an der Mission Ribas teilzunehmen. Die ersten 200.000 werden ihren Unterricht am 17. November aufnehmen. Der Rest wird zu einem späteren Zeitpunkt beginnen.

Wie alle Missionen ist auch dieses Programm kostenlos. Zudem werden 100.000 TeilnehmerInnen entsprechend ihren finanziellen Bedürfnissen Stipendien bekommen. Die meisten Kurse werden in Form von „Teleunterricht“, also Videos, mit Hilfe eine(s,r) VermittlerIn abgehalten. Wenn die SchülerInnen ihre Ausbildung abgeschlossen haben, werden die staatliche Ölgesellschaft PDVSA und die Elektronikgesellschaft CADAFE Arbeitsplätze im Minen-, Öl- und Energiesektor anbieten. Das gesamte Programm wird vorrangig von der PDVSA und der CADAFE koordiniert und finanziert.

Mission Sucre – universitäre Bildung

Für die Armen ist der Mangel an finanziellen Ressourcen für die Universitätsausbildung eines der größten Hindernisse. Sie sind häufig gezwungen, nebenher zu arbeiten und gleichzeitig noch Familienmitglieder zu unterstützen, so dass ein vernünftiges Studium schlichtweg nicht möglich ist. Die Mission Sucre, ebenfalls nach einem Unabhängigkeitshelden benannt, ist im wesentlichen ein Förderprogramm für universitäre Ausbildungen. Mit dieser Hilfestellung können im Laufe der ersten Phase, die im November 2003 beginnt, 100.000 VenezolanerInnen Unterstützungsleistungen im Wert von 100 U.S. Dollar pro Monat erhalten.

Bereits im September 2003 haben über 420.000 VenezolanerInnen Interesse an den Stipendien gezeigt. Guiseppe Gianetto, Präsident der größten venezolanischen, öffentlichen Universität, der Universidad Central de Venezuela, und ein ausgesprochener Kritiker der Regierung Chávez, sagt, dass die Mission Sucre ein „demagogisches“ Programm sei, weil die Regierung niemals die 400.000 Studierenden unterbringen können werde, die in das Universitätssystem wollten, für die aber kein Platz mehr sei. Laut Gianetto könnten die bestehenden Universitäten diese Studierenden schlichtweg nicht unterbringen. Die Regierung entgegnet jedoch, dass alle letztendlich einen Platz durch die neuen Bolivarischen Universitäten erhielten, die momentan im gesamten Land neu eröffnet würden. Es ist allerdings unklar, wo diese 100.000 StudentInnen einen Studienplatz finden werden, solange die Bolivarische Universität noch nicht fertig gestellt ist. Im Jahr 2004 wird sie lediglich Raum für 20.000 Studierende bieten können. Während weitere 80.000 möglicherweise schlussendlich angenommen werden, fehlen immer noch Plätze für 300.000 potentielle StudentInnen.

Mission „Barrio Adentro“ (In der Nachbarschaft) – Gesundheitsversorgung in der Gemeinde

Um die schwerwiegenden Gesundheitsproblemen in den barrios, den armen Gemeinden, zu begegnen, hat die Regierung Chávez eine Gesundheitsprogramm für Gemeinden unter dem Namen Barrio Adentro auf den Weg gebracht. Gemäß diesem Programm und mit der Unterstützung von 1.000 cubanischen ÄrztInnen werden in den barrios, in Gebieten, wo zuvor niemals ein(e) DoktorIn in der Nähe war, kleine Gesundheitskliniken in den Gemeinden errichtet. Das Programm startete mit einem Pilotprojekt in Caracas und wird nun auf das gesamte Land ausgedehnt. Nach nur sechs Monaten wurden bereits überwiegend in der Metropolregion Caracas drei Millionen VenezolanerInnen versorgt.

Während die EinwohnerInnen der barrios im allgemeinen die ÄrztInnen, die auch Hausbesuche machen – eine Praxis, von der m. zuvor nie gehört hatte - willkommen hießen, ging der venezolanische Ärzteverband auf die Barrikaden. Der Verband zog umgehend vor Gericht, um eine gerichtliche Anordnung gegen die cubanischen ÄrztInnen zu erwirken, weil diese angeblich die vom venezolanischen Gesetz geforderten Ausweispapiere nicht besäßen. Im Juli 2003 gab ein Gericht der Verfügung statt. Die damalige Gesundheitsministerin, Maria Urbaneja, sagte jedoch, dass die Gesundheit des Volkes Priorität gegenüber der Gerichtsentscheidung habe und dass die Regierung aus diesem Grunde die Anordnung nicht anerkenne. Sie erklärte, dass sich nicht genug ÄrztInnen hätten finden lassen, die willens gewesen seien, in den barrios zu arbeiten, obwohl eine große Zahl an DoktorInnen in Venezuela arbeitslos sei. Es existiere außerdem ein Plan, demzufolge die cubanischen ÄrztInnen durch venezolanische ersetzt werden, sofern sie sich bereit erklären.

Mission Miranda – ReservistInnen des Militärs

Venezuelas Militär ist lange Zeit ein Ort gewesen, wo Menschen aus armen Verhältnissen Ausbildung und Arbeit finden konnten. Trotzdem fanden sie nach ihrer Entlassung aus dem Militär oft keine Anstellung. Um diesem Bevölkerungsteil zu helfen, hat die Regierung Chávez die Mission Miranda geschaffen. Auch sie verdankt ihren Namen einem Unabhängigkeitsheld, General Francisco de Miranda. Gemäß dieser Mission soll aus Menschen, die einst dem Militär gedient haben, eine Reserve gegründet werden. Jede/r, die/der an diesem Programm teilnimmt, erhält einen Mindestlohn, wird im Aufbau von Kooperativen geschult und bekommt die Möglichkeit, Mikro- Kredite aufzunehmen. Als das Programm am 19. Oktober 2003 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hatten sich bereits 50.000 ehemalige SoldatInnen eingeschrieben und weitere 50.000 sollen noch vor Ende des Jahres hinzukommen. Alle ReservistInnen sind gegenwärtig arbeitslos.

Die Opposition bezweifelt die Absichten, die hinter der Mission Miranda stehen, indem sie darauf verweist, dass Chávez eine Parallelarmee aufbaue, die seinem persönlichen Kommando direkt unterstehe. Der Verdacht ist, dass Chávez beabsichtigt, das Land zu militarisieren und eine Streitkraft zu schaffen, die sich ihm gegenüber völlig loyal verhält und die im Zuge eines möglichen Vertrauensreferendums aufgebaut wird. Außerdem wird Chávez unterstellt, die bewaffneten Kräfte zu nutzen, um sich selbst an der Macht zu halten, auch wenn er das Referendum verliert. Ob m. dies glaubt oder nicht, hängt jedoch letztendlich davon ab, für wie machiavellistisch (/machtbesessen) m. Chávez hält. Bis heute deutet jedoch nichts darauf hin, dass Chávez versuchen wird, sich gewaltsam an der Macht zu halten, wenn ihm bei demokratischen Wahlen das Vertrauen entzogen würde.

Mission Mercal – Nahrungsmittelverteilung

Die Mission Mercal besteht aus einem Netzwerk von staatliche unterstützten Supermärkten, die Nahrungsmittel im gesamten Land zu niedrigeren Preisen verkaufen. Das Konzept ist teilweise aus dem von den ArbeitgeberInnen finanzierten Generalstreik im Dezember 2002 hervorgegangen, der die Nahrungsmittelverteilung in großem Maße verhinderte. Folglich entschied sich die Regierung Chávez, ein staatlich unterstütztes Netzwerk zur Nahrungsmittelverteilung aufzubauen. Das Programm begann anfangs nur zögerlich, so dass bis November 2003 nur weniger als 100 Supermärkte im ganzen Land entstanden. Trotzdem beschleunigt die Regierung den Bau dieser Supermärkte, damit sich die Zahl im Dezember auf 200 verdoppelt uns sich bis Februar 2004 auf 2.000 verzehnfacht hat.

Die Opposition kritisiert dieses Programm – natürlich – indem sie behauptet, dass die Mercal Märkte den privaten Sektor unterliefen. Dies träfe möglicherweise zu, wenn die Mercal Märkte direkt neben regulären Märkte eröffnet würden. Doch ebenso wie im Zusammenhang mit dem Barrio Adentro Programm sollen Mercal Märkte nur in Gebieten entstehen, die der private Sektor vernachlässigt. Dementsprechend werden die Auswirkungen auf die privaten Verkaufsstellen, wenn überhaupt, nur äußerst gering sein.

Fazit

Wenn m. die zahlreichen Programme untersucht, die in Venezuela unter der Regierung Chávez durchgeführt werden, um die Armut zu bekämpfen, wird offensichtlich, dass die Bildung deutlich im Vordergrund steht. Sowohl die mittelfristigen als auch die kurzfristigen Programme zur Armutsbekämpfung konzentrieren sich hauptsächlich auf Bildung. Das macht deshalb Sinn, weil viele Armutsstudien belegen, dass Bildung eines der effektivsten Mittel zum Abbau von Armut ist. Allerdings bedarf es einer langen Zeit bis diese Strategie Früchte trägt. Wenn es inmitten der Umsetzung zu einem ernsten Rückschlag kommt, wie es in den Jahren 2002 und 2003 der Fall war, dann wird es den Anschein haben, als ob die Regierungsmaßnahmen kurzfristig keine Wirkung zeigten.

Chávez Präsidentschaft kann bislang in vier unterschiedliche Phasen unterteilt werden. Die erste Phase (1999) war eine Periode wirtschaftlicher Rezession, der Verfassungsreform und der Naturkatastrophen, [16] in der außer der Planung des Plan Bolívar 2000 nichts unternommen wurde, um die Armut zu bekämpfen. Die zweite Phase (2000 – 2001) war ein relativ erfolgreicher Abschnitt, in dessen Verlauf die Regierung Chávez ihre Macht sicherte und begann, mittel- und langfristige Programme zur Armutsbekämpfung umzusetzen wie die Makro- Wirtschaftsreform, die Landreformen in ländlichen und städtischen Gebieten, der Bau Bolivarischer Schulen und die Unterstützung von Mikro- Krediten und Kooperativen. Die Dritte Phase (von Dezember 2001 bis Mai 2003) war die problematischste, weil sich die Regierung mit einigen von den ArbeitgeberInnen angeführten Generalstreiks, einem Coupversuch und einer Arbeitsniederlegung in der für das Land unentbehrlichen Ölindustrie auseinander setzen musste. In dieser Zeit mussten das Land und die Regierung die größten Rückschläge in der Armutsbekämpfung hinnehmen. Es gibt nur wenig Zweifel, dass die Armut zunimmt, wenn auch die Arbeitslosenrate steigt und die Inflation wächst. Außerdem war es fast nicht möglich, der Armutsbekämpfung aktiv Ressourcen und Aufmerksamkeit zu widmen.

Der Mai 2003 , so könnte m. es formulieren, markiert den Beginn einer vierten Phase. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Ölindustrie ungefähr erholt und die Opposition konzentriert sich seitdem eher auf politische als auf militärische und wirtschaftliche Strategien, um den Präsident aus dem Amt zu jagen. In dieser Phase verfügt die Regierung auch wieder über mehr Ressourcen, insbesondere angesichts des gestiegenen Ölpreises, um kurzfristige Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut zu verwirklichen und um sich wieder auf mittelfristige Strategien zu konzentrieren, deren Schwerpunkte besonders auf den Landreformen und der Bolivarischen Universität liegen. Wie lange diese Phase andauern wird, hängt wiederum hauptsächlich von der Opposition ab. Wenn sie sich während des kommenden Referendumsprozess fair verhält, wird es der Regierung gelingen, ihre bestehenden Programme mehr oder weniger planmäßig zu verfolgen. Wenn die Opposition jedoch erneut eine Krise heraufbeschwören sollte, könnten die Programme wieder aus der Bahn geraten und die Armut nähme in Venezuela wie in den vergangenen 20 Jahren zu.

Fussnoten:

[1] Der Gini Index wird von 0, vollkommene Gleichheit (alle Einkommen sind gleich), bis 1, vollkommene Ungleichheit (alle Einkommen gehen an eine Person) berechnet. Quelle: Francisco Rodriguez (2000): Factor Shares and Resource Booms: Accounting for the Evolution of Venezuelan Inequality. In: World Institute for Development Economics Research – Research Paper des World Institute for Development Economics Research – Research Paper http://www.wider.unu.edu/publications/wp205.pdf

[2] ibidem (aus derselben Quelle), S.5

[3] Rodriguez: „Wenn unsere Berechnungen stimmen, ist Venezuela heute einer der ungerechtesten Staaten der Welt, angesichts eines Gini [von 62,6] im Jahre 1997, der die Werte Südafrikas (62,3) und Brasiliens (61,8) übertrifft.“ Ibidem, S.6

[4] OPEC Statistikbulletin, 2001

[5] Gemäß des Dollarwertes im Jahr 1985. Eigene Berechnung auf der Grundlage des Wertes der Ölexporte (IWF, Internationale Financial Statistics Yearbook 1993), Bevölkerungszuwachs (Instituto Nacional de Estadistica, Venezuela: http://www.ine.gov.ve) und der Zahlungsbilanz des Jahres 1985 (Banco Central de Venezuela: http://www.bcv.org.ve).

[6] Laut der Armutsgrenze des Armutprojektes der Katholischen Universität Andres Bello (Matias Riutort: El Costo de Eradicar la Pobreza. In: Un Mal Posible de Superar, Band 1, UCAB, 1999).

[7] Kenneth Roberts: Social Polarization and the Populist Resurgence in Venezuela. In: Steve Ellner und Daniel Hellinger (Hg.): Venezuelan Politics in the Chávez Era. Lynne Rienner Publishers, 2002. S. 59.

[8] Instituto Nacional de Estadistica: http://www.ine.gov.ve

[9] Siehe: Hernando de Soto: The Mystery of Capital. 2002 o.O..

[10] http://www.economiasocial.mpd.gov.ve/sistema.html

[11] Quelle: El Mundo. 4. November 2003. (http://www.venezuelanalysis.com/news.php?newsno=1087)

[12] Quelle: Bulletin des Finanzministeriums Nr.: 56. (http://www.mf.gov.ve/acrobat/Boletin%20F...%20Ed.%2056.pdf)

[13] Basiert auf einer Bevölkerung von 5 Millionen, die im Grundschulalter ist (Klasse 1 – 6 bzw. im Alter von 6 – 13) laut den Statistiken des INE (Nationales Statistikinstitut)

[14] Siehe 3 Anos de la Quinta Republica (http://www.mpd.gov.ve/3%20A%D1OS/3AnosdelaVRepublica.pdf)

[15] Laut Aló Presidente, Nr.: 168, 19. Oktober 2003.

[16] Die Schlammlawinen von Vargas im Dezember 1999, bei denen über 10.000 Menschen starben und über 150.000 obdachlos wurden.


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30.06.2007 19:47 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 19:51)
#16 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro
Zitat von Chris
Artikel zum Thema:
http://www.zmag.de/artikel.php?id=951
Venezuelas Mission: der Kampf gegen die Armut
von Gregory Wilpert
[...]Seitenlange Regierungspropaganda

In der Theorie klingt das alles sehr schön und in der Praxis wird mit geschönten Zahlen über die Erfolge gearbeitet (z.B. Analphabetismus, der ja angeblich schon ausgerottet ist: http://politica.eluniversal.com/2007/06/...-d_330027.shtml), wie ja auch in Kuba. Außerdem ist November 2003 nicht gerade aktuell.

Der Gregory Wilpert verteidigt übrigens auch Chávez' "Regieren per Dekret" als ganz normales demokratisches Element: http://www.venezuelanalysis.com/print.php?artno=1953
--
La vida debería ser amarilla... amar y ya.

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30.06.2007 20:12 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 20:12)
avatar  Chris
#17 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro
In Antwort auf:
In der Theorie klingt das alles sehr schön

Das ist ja das schöne, dass hier jeder Quellen zum Thema bringen kann. Je mehr Quellen desto besser kann man Schlüsse daraus ziehen. Da du diesen Artikel für unglaubwürdig hältst hast du sicher noch andere unabhängige Quellen dafür, oder? Zum Beispiel für die Zahlen zur Armut etc. die der Autor bringt.
In Antwort auf:
Außerdem ist November 2003 nicht gerade aktuell

Jeder der etwas Brandaktuelles hat kann das ja gerne einstellen, dafür ist das Forum ja da.

Saludos
Chris

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30.06.2007 21:05
avatar  Chris
#18 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

Hier noch ein Bericht der Bundesagentur für Außenwirtschaft, die wird man wohl kaum als Chavez-freundlich einstufen können.
In dem Bericht werden keineswegs Tendenzen erwähnt, die zu einer höheren Armut durch die Politik von Chavez geführt hätten, laut Bfai ist der Trend eher gegenläufig!

Quelle: https://www.bfai.de/ext/anlagen/PubAnlage_2097.pdf

Saludos
Chris


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30.06.2007 21:34 (zuletzt bearbeitet: 30.06.2007 21:51)
#19 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro
Zitat von Chris
In dem Bericht werden keineswegs Tendenzen erwähnt, die zu einer höheren Armut durch die Politik von Chavez geführt hätten, laut Bfai ist der Trend eher gegenläufig!

Das hat ja hier auch keiner behauptet (In einem von mir geposteten Link wird dies allerdings von einer Seite gesagt). Wäre ja auch schlimm, wenn die ganzen konsumtiven Ausgaben NULL Effekt hätten.

Mir geht es hauptsächlich um die fehlende Nachhaltigkeit (keine Investitionen) der Wirtschaftspolitik, Differenz zwischen Propaganda und Wirklichkeit in den Erfolgen den bolivarischen Misiones und um den unbestreitbaren Demokratieabbau.
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30.06.2007 21:53
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#20 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

@EHB

vielleicht müssen wir uns tatsächlich angewöhnen, dass unsere Form der Politik nicht diejenige ist, die sich auf die ganze Welt ausdehnen lässt, sondern dass andere Weltregionen eigenverantwortlich ihre ganz eigenen Politikformen entwickeln, ob uns das nun passt oder nicht.

Saludos
Chris


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30.06.2007 21:58
#21 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

Ich will keine Politik ausdehnen, sondern über das Für und Wider der verschiedenen Politikkonzepte diskutieren. Und wenn ich eine Politik für falsch halte, möchte ich sie auch kritisieren dürfen.

--
La vida debería ser amarilla... amar y ya.

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01.07.2007 02:02
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#22 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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( Gast )

Zitat von Chris
Hier noch ein Bericht der Bundesagentur für Außenwirtschaft, die wird man wohl kaum als Chavez-freundlich einstufen können.
In dem Bericht werden keineswegs Tendenzen erwähnt, die zu einer höheren Armut durch die Politik von Chavez geführt hätten, laut Bfai ist der Trend eher gegenläufig!
Quelle: https://www.bfai.de/ext/anlagen/PubAnlage_2097.pdf
Saludos
Chris


@Chris:

Danke für den Link!
Bei aufmerksamem Studium werden viele hier getroffenen Aussagen relativiert, vor allem die Behauptung, unter Chavez sei die Armut gewachsen, wird deutlich widerlegt.
Faktoren, die sich erst mittelfristig gegen Armut auswirken, wie der kostenlose Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen, sind hier noch garnicht eingerechnet.

Von mangelnden Investitionen kann ebenfalls keine Rede sein, auch wenn sich diese vorrangig im Energiesektor abspielen.
Der kluge Hugo investiert in Förderanlagen, nachdem er in der OPEC erfolgreich eine Hochpreispolitik durchgesetzt hat, und so viel Mais kann Brasilien nicht anbauen, dass der Ölpreis wieder sinkt!
Dafür sorgen schon die aufstrebenden Volkswirtschaften der Schwellenländer.

Und das Öl wird ihm so schnell nicht ausgehen; Venezuela verfügt nach neuesten Berechnungen, die die Schwerölvorkommen im Orinoco-Becken einrechnen, über die weltweit höchsten Reserven.

Die Energieverbraucher in den Industriestaaten finanzieren über ihren Verbrauch nicht nur den albernen Luxusrausch der Emirate, sondern auch die Erfolgsgeschichte der Bolivarischen Revolution.

Aber Chavez gibt außerdem eine Menge Geld aus für die Integration Lateinamerikas; so kauft er für 30 Milliarden argentinische Staatsanleihen, damit sich dieses Land dem Würgegriff von IWF und Weltbank entziehen kann, und spart außerdem fleißig für die Gründung einer südamerikanischen Entwicklungsbank, die genannte Institutionen in der Region völlig überflüssig machen wird und eine selbstbestimmte unabhängige Entwicklung Lateinamerikas ermöglichen wird.
Wer über Venezuela spricht, dem sollten Projekte wie ALBA, Petrosur, Petrocaribe, Telesur und viele andere integrative Ansätze ein Begriff sein, denn nur damit lassen sich die mittel- und langfristigen Ziele der bolivarischen Revolution ausreichend erklären.

Sogar für Europa leistet Chavez Entwicklungshilfe:
Mit dem Bürgermeister Londons, Ken Livingstone, traf er Vereinbarungen über billige Öllieferungen, die in London 250.000 sozial Benachteiligten als Halbierung der Kosten für den öffentlichen Nahverkehr zugute kommen.
Damit betreibt er praktisch schon europäische Sozialpolitik.

Übrigens wurden die Löhne verdoppelt und die Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden herabgesetzt.
Dafür muss ich allerdings noch die Quellen recherchieren...

Saludos

Dagmar


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01.07.2007 02:22
#23 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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Rey/Reina del Foro

Zitat von dama
Von mangelnden Investitionen kann ebenfalls keine Rede sein, auch wenn sich diese vorrangig im Energiesektor abspielen.
Der kluge Hugo investiert in Förderanlagen

Das macht er eben nicht!!!
http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2246712,00.html

Er verpulvert Öleinnahmen und Devisenreserven, um ein paar Populismuspunkte beim (armen) Volk zu sammeln. Mit nachhaltiger Wirtschaftspolitik hat dies nichts zu tun:

Die Armutsquote ist seit 1998 nicht wesentlich gesunken, die Kriminalität eher gestiegen, die Arbeitslosenquote ist noch viel stärker geschönt, als bei uns, da jeder, der im so genannten "informellen Sektor" arbeitet, also ein Schuhputzer oder Straßenverkäufer als arbeitend gilt, die Inflation gallopiert (auf dem Schwarzmarkt ist der Bolivar nur noch halb so viel wert, wie der offiziell festgeschriebene Umtauschkurs zum US-Dollar).... Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

--
La vida debería ser amarilla... amar y ya.

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01.07.2007 10:32 (zuletzt bearbeitet: 01.07.2007 10:33)
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#24 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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( Gast )
In Antwort auf:
Faktoren, die sich erst mittelfristig gegen Armut auswirken, wie der kostenlose Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen, sind hier noch garnicht eingerechnet.




Auch die Kubaner werden irgendwann Nutzen aus ihrem System ziehen.

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01.07.2007 11:13
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#25 RE: »Es gibt Widerstand gegen autoritäre Tendenzen«
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( Gast )

In Antwort auf:
Faktoren, die sich erst mittelfristig gegen Armut auswirken, wie der kostenlose Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen, sind hier noch garnicht eingerechnet.
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Auch die Kubaner werden irgendwann Nutzen aus ihrem System ziehen.



Ja wann denn?????

Bildung ohne entwicklung bringt nichts, stell dir vor du bist das super Hirn das ein Raumschiff entwickeln kann mit dem du ans ende des Universums fahren kannst in einer Sekunde, wow du wärst der Tiger. Nur die Entwicklung der gesamten Technik ist noch nicht so weit, deshalb bringen dir dein wissen und deine Abschlüsse rein gar nichts. Und genau das ist in Cuba der Fall. Da ich Haustechnik-Installateur/Planer bin kann ich da genau sehen wo da die differenzen liegen, da bringen auch 2-3Jahre Studium nichts wenn man sich Cuba anschaut, viele Haushalte verfügen nicht mal über fliessendes Wasser geschweige denn eine Kanalisation und wenn dann wird irgend etwas gebastelt wegen fehlendem Material oder Geld, wo ist den da das Wissen???? Ein Busch-Neger böse gesagt ohne Bildung würde das auch nicht anderst machen. Einmal musste ich echt staunen da kam ne Cubana mit einem Zettel darauf waren Berechnungen mit mmol, für das das sie erst 16Jahre war dachte ich wow, aber in Cuba gibt es wahrscheinlich nicht mal Wasserteststreifen geschweige denn Wassernachbehandlungsgeräte zu kaufen. Von daher kann man durchaus sagen Wissen alleine bringt gar nichts.


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