Morbider Tanz mit ausgepresster Zitrone

10.12.2004 07:27
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Rey/Reina del Foro

Morbider Tanz mit ausgepresster Zitrone
«Música cubana» von German Kral

Die Kuba-Mode ist seit einiger Zeit zu Ende. Nicht mehr alles, wo «Kuba» draufsteht, wird automatisch zum Verkaufsrenner - ganz im Gegenteil, es scheint jene Übersättigung eingetreten zu sein, die fast automatisch auf grosse Modewellen folgt. Doch es gibt eine Ausnahme: Dort, wo das Siegel «Buena Vista Social Club» prangt. Jedes Mal, wenn Omara Portuondo oder Ibrahim Ferrer ungefähr im Halbjahresrhythmus in hiesigen Gefilden auftauchen, heisst es auf den Plakaten und Inseraten bereits Monate im Voraus «Ausverkauft». Diesen Mechanismus hat sich nun der 1968 in Buenos Aires geborene Deutsch- Argentinier German Kral für seine musikalische Doku-Fiction zunutze gemacht.

Zuerst sollte der Film gar den Untertitel «The Sons of Buena Vista Social Club» tragen, was die Londoner Plattenfirma World Circuit jedoch per Gerichtsbeschluss verhinderte. So schmückt den Soundtrack von «Música cubana» nun halt die bescheidene Überschrift «The Sons of Cuba». Mit Wenders' Kassenschlager aus dem Jahr 1999 (CD: 1997) hat «Música cubana» insofern etwas gemein, als Kral Wenders als ausführenden Produzenten gewinnen und, mit dem Sänger Pio Leyva im Zentrum, eine Nebenfigur aus «Buena Vista Social Club» als Protagonisten mobilisieren konnte.

Der greise Leyva, Jahrgang 1917, wird zu Beginn des Films von Bárbaro Marín, einem in Kuba leidlich bekannten Schauspieler, dazu überredet, im Verbund mit einigen jüngeren Musikern aus der Salsa- und Rap-Szene (u. a. Mayito Rivera von Los Van Van und Osdalgia Lesmes) sowie den jugendlichen Pop-Sternchen Chiki Chaka Girls eine Ad-hoc-Band, The Sons of Cuba, zu bilden. Das wäre eigentlich gar nicht uninteressant, würden bei diesem Zusammengehen von Jung und Alt eines Teils von Kubas (Tanz-) Musikszene nicht derart penetrant jene Touristenklischees von den stets fröhlichen, immer zu einem Spässchen aufgelegten und in ihrer Armut halt doch glücklichen Kubanern bemüht, die schon damals, als die Kuba-Welle Züge von Raserei annahm, so falsch wie verlogen waren.

Dass sich dazu die Dramaturgie so eng an den Heuler von Wim Wenders anlehnt, dass am Ende das triumphale Abschlusskonzert - samt obligater Darbietung von Compay Segundos Superhit «Chan chan» - statt in New York einfach in Tokio stattfindet, befremdet dann doch mehr, als es zu begeistern vermag. (Kino Academy in Zürich)

Geri Krebs

Quelle:http://www.nzz.ch/2004/12/10/fi/page-articleA1N2G.html


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