Ein wunderbares neues Jahr miteinander, falls es noch nicht zu spät ist und die Katastrophen schon voll über Sie hereingebrochen sind. Ich hoffe, dass über mich keine Katastrophe hereingebrochen ist, denn plangemäß sitze ich jetzt auf Kuba in irgendeiner Salsa-Stube mit explizit morbidem Charme.

H. hat mir empfohlen, sexuelle Abenteuer auf Kuba zu haben, damit ich Sexkolumnen drüber schreiben und die Aufwendungen einer Kuba-Reise steuerlich geltend machen kann. Da ich den Internetcafés in Havanna misstraue, hab ich diese Kolumne schon im alten Jahr vorgeschrieben. Ich misstraue auch dem Sex-Life auf Kuba. Natürlich liegt Sex in Kuba auf der Hand, weil alles andere muss importiert werden und ist deshalb knapp und teuer. Aber alles, was auf der Hand liegt, ist suspekt.

Kuba ist weitestgehend die Erfindung von Meyer Lansky, einem russischen Immigranten, der tüchtig Mafia-Geld in Kuba investierte. Es verfällt seit Jahrzehnten unter großer dekadenter Prachtentfaltung. Außerdem gab es noch die Firmen Bacardi und Davidoff, und natürlich stricken jetzt Fidel und Che am Mythos.

Eine Männergesellschaft. Allesamt große Geschichtenezähler.

Das Leben ist ja leider nicht so zufällig, wie man es sich immer wünscht: Ohne eine Vision braucht man nirgends hinzufahren. Erst wenn man die Geschichte zu Ende gedacht hat, wird sie wahr werden. Ich sitze also auf dem Hauptplatz von Havanna, vor der Kathedrale, und lese Meyer Lanskys politisch korrekt aufgebürstete Erinnerungen und langweile mich zu Tode. Da spricht mich ein eleganter Herr an und fragt, ob ich ein Sextourist sei. Mangels anderem, gestehe ich, habe ich mich entschlossen, Sextourist zu sein.

Der elegante Herr in grünem Zwirn fragt mich, ob ich nicht lieber eine sechsstündige Fernsehrede über Sozialismus halten möchte, weil er sucht grad eine Urlaubsvertretung. Nach 46 Jahren ist er zur Überzeugung gelangt, dass eigentlich jeder ersetzbar ist ...

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