Handeln gegen das Embargo

07.04.2004 09:23
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Handeln gegen das Embargo

Der Rückhalt im US-Kongress für das Embargo gegen Kuba schwindet. Denn die Regierung in Havanna winkt mit harten Dollars.
von knut henkel

Texas könnte mehr liefern als nur Lebensmittel. Auch an einer Kooperation bei der Erdölexploration ist Kuba interessiert«, sagt Pedro Alvarez lächelnd. Der Chef des kubanischen Monopolunternehmens für den Lebensmittelimport, Alimport, macht seinen Job geschickt. Jede Möglichkeit nutzt der Medienprofi, um Werbung für den »Standort« Kuba zu machen. So auch die Pressekonferenz in Havannas Nobelabsteige, dem Hotel Nacional. Touristen wie Unternehmer seien in Kuba herzlich willkommen, nur die Embargogesetze stünden dem entgegen, erklärte Alvarez im März.

Anlass der Pressekonferenz war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen Alimport und der Betreibergesellschaft des Hafens von Houston/Texas. Ziel des Vertrages ist es, die Kooperation im Rahmen der bestehenden Gesetze auszubauen, so James T. Edmonds, Vorsitzender der Hafenbetreibergesellschaft. Immenses Potenzial sieht Edmonds nicht nur im Lebensmittelexport nach Kuba, sondern auch im Kreuzfahrtsektor. »Wenn es Änderungen an den bestehenden Gesetzen gibt, wird es einen Wettlauf zwischen den Unternehmen geben«, prognostiziert der Unternehmer. »Wir wollen dann die Ersten sein, die in das Geschäft einsteigen.« Die Zukunft des Hafens von Houston sieht er im Lateinamerika- und Karibikgeschäft.

Vorerst muss sich die Delegation aus Houston, im Hinblick auf das Umschlagvolumen immerhin der zweitgrößte US-Hafen, mit dem Verschiffen von Lebensmitteln gen Kuba begnügen. Aber auch das ist ein lukratives und sprunghaft anwachsendes Geschäft. Allein im letzten Jahr wurden Alimport zufolge Lebensmittel im Wert von 343,9 Millionen US-Dollar aus den Vereinigten Staaten nach Kuba verschifft – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.

Für dieses Jahr rechnet Pedro Alvarez mit einem Anstieg des Lebensmittelimports aus den USA auf über 400 Millionen US-Dollar. Ein lukrativer Markt für die US-amerikanischen Agrarunternehmen, Hafenbetreiber wie Frachtunternehmen. Die hat Alvarez längst auf seiner Seite, seit im Dezember 2001 die ersten Geschäfte nach der Lockerung des Handelsembargos im Vorjahr getätigt wurden.

Alvarez zufolge hat Kuba zwischen Dezember 2001 und Ende Februar 2004 Waren für 612,5 Millionen US-Dollar bezogen. Verträge über 705 Millionen US-Dollar seien unterzeichnet, und die Geschäfte könnten ausgeweitet werden. Das Volumen des Lebensmittelimports beziffert er auf rund 1,2 Milliarden US-Dollar. Ein äußerst interessanter Markt nicht nur für die US-Agrarlobby, sondern auch für Produzenten aus Europa und Asien. Doch wegen der geografischen Nähe haben US-Unternehmen die Nase vorn. Die kurzen Transportwege und die niedrigeren Kosten sprechen für den großen Nachbarn, mit dem die politischen Beziehungen alles andere als gut sind. Und so haben europäische und asiatische Unternehmen augenblicklich das Nachsehen. Sie verlieren an Marktanteilen, während die USA innerhalb von kürzester Zeit zum wichtigsten kubanischen Lieferanten von Lebensmitteln aufstiegen.

Vom letzten Platz ist Kuba mittlerweile auf Platz 35 der Rangliste der wichtigsten Lebensmittelimporteure gelandet. Und Alvarez will dafür sorgen, dass Kuba weiter nach vorn kommt. Denn mit jeder Unterschrift eines US-Unternehmers schrumpft auch der Rückhalt für das Handelsembargo in den USA. Zahlreiche Senatoren und Kongressabgeordnete haben ihre Haltung gegenüber Kuba geändert. Das zeigen nicht allein die Beschlüsse von Senat und Repräsentantenhaus, die sich im vergangenen Jahr für die Aufhebung der Reisebeschränkungen für US-Bürger aussprachen, sondern auch zahlreiche Besuche von Senatoren, Abgeordneten und Unternehmern, die das Terrain in Kuba erkunden.

In den diplomatischen Kreisen Havannas gilt Alvarez längst als Speerspitze Kubas gegen das Handelsembargo. Effektiv reduziere er den Rückhalt in Kongress und Senat für die Kubapolitik des Präsidenten George W. Bush, sagt der Sozialwissenschaftler Armando Nova von der Universität Havanna. »Allerdings würde niemand vom politischen Establishment in Kuba zugeben, dass dahinter eine politische Strategie steckt.«

Nova weiß nur zu gut, was ein Ende der Reisebeschränkungen dem kubanischen Tourismus bringen würde. Mit einer Million Touristen im ersten Jahr wird in Kuba kalkuliert, anderthalb könnten es im zweiten Jahr werden und langfristig bis sechs Millionen jährlich. Was damit womöglich verbunden wäre, will sich Nova nicht näher ausmalen. Dass US-Touristikexperten im letzten Jahr bereits eine Audienz bei Fidel Castro erhielten, weiß Nova allerdings.

Längst laufen auch die Vorbereitungen in anderen Branchen wie dem Erdölsektor. US-Konzerne wurden bereits eingeladen, auf der Insel und in den Küstengewässern nach dem schwarzen Gold zu suchen. Die von kubanischer Seite verwendete Strategie, die Wirtschaftslobby der USA gegen das Handelsembargo in Anschlag zu bringen, verspricht durchaus Erfolg, auch wenn Präsident Bush im Wahlkampf nach wie vor auf die Hardliner in Miami setzt. Viele Senatoren und Kongressabgeordnete haben die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen ihrer jeweiligen Bundesstaaten im Blick und wenden sich gegen die Kuba-Politik des Präsidenten.

Einen Haken haben die Lebensmittelgeschäfte zwischen der Insel und dem übermächtigen Nachbarn allerdings für die kubanische Staatskasse. Die Einkäufe in den USA müssen sofort bezahlt werden, und das fällt den Kubanern schwer. Eine ganze Reihe von Kontrakten wurde, so ist aus europäischen Botschaften in Havanna zu hören, über kurzfristige Kredite beglichen. Die sind allerdings kostspielig, da Kuba als Schuldner einen überaus schlechten Ruf hat und Risikoaufschläge zu einer Zinsbelastung von 18 bis 20 Prozent führen. Die hat die kubanische Regierung bisher akzeptiert, denn das größer werdende Loch im Embargo ist den Einsatz anscheinend wert.

Allerdings ist die Finanzdecke der kubanischen Regierung ausgesprochen dünn. Der Schuldendruck ist hoch, da die Regierung Verbindlichkeiten von über elf Milliarden US-Dollar vor sich her schiebt. Hinzu kommen Berichten des Wall Street Journal zufolge weitere Verbindlichkeiten gegenüber Venezuela. Von dort bezieht Kuba rund die Hälfte des benötigten Erdöls, und in Caracas sind mittlerweile Schulden in Höhe von über 700 Millionen US-Dollar aufgelaufen. Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, wie lange sich Kuba die teuren kurzfristigen Kredite zum Import der US-Lebensmittel noch leisten kann.

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