Warten auf Cuba libre

29.09.2007 19:10
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Cubaliebhaber/in

Warten auf Cuba libre
von Christiane Götz

Ein Besuch in Miamis Little Havanna

„Du warst bei Alina?“, fragt atemlos die kubanische Stewardess beim Check-in-Schalter und räumt sofort eine ganze Reihe für den bequemen Rückflug frei.
Es waren nur zehn Minuten von Alinas Haus zum Flughafen. Ein hübsches kleines Haus, amerikanische Vorstadtidylle. Doch der erste Blick täuscht. Denn als Miamis berühmteste Exilkubanerin uns die mit Gittern doppelt gesicherte Tür öffnet, schaut sie sich ängstlich um: „Seid ihr auch wirklich nur zu zweit?“
Drinnen ist es dunkel und schwül, so wie kurz vor einem tropischen Gewitter. Die Fenster sind alle mit dicken Holzplanken verriegelt. „Ach, das ist nur wegen der Hurrikans“, versucht unsere Gastgeberin abzuwehren. Doch die letzte Hurrikan-Warnung ist Wochen her. Seitdem ist Alina, die un­eheliche Tochter Fidel Castros, unzählige Male schon hin- und hergefahren zwischen dem Haus, das nicht zum Heim werden will, und dem Stammzellen-Labor, wo sie acht Stunden täglich am besseren Menschen arbeitet. „Einen zweiten Fidel Castro würde ich sicher nicht klonen“ – es soll der einzige Scherz bleiben, den diese verwundete Frau sich in unseren Gesprächen erlaubt. Um gleich darauf zu betonen: Über diese Arbeit habe sie noch mit niemandem gesprochen.
Mitten in Alinas Wohnzimmer steht ein Koffer. Und dort steht er auch noch am folgenden Tag. Drumherum gruppieren sich kleine Inseln der Zuflucht; ein Marienbild hier, die Voodoo-Maske dort, Buddhas in allen Größen, eine Hindufigur auf dem Boden, vor allem aber: der Flüchtlings-Altar zum Gedenken an all jene Landsleute, die von Flößen gestürzt und von Haien zerfetzt Amerikas Küste nie erreichten. Er steht im engen Gang zum Schlafzimmer und hier ist es noch dunkler und bedrückender als vorhin. „Drei von zehn Flüchtlingen sterben im Ozean“, sagt sie. Tonlos. Allein in Alinas Nachbarschaft warten dreißig Familien verzweifelt auf ihre Verwandten, die aus Kuba aufgebrochen, aber nie in Florida angekommen sind.
Inmitten der Kuba-Krise warnte John F. Kennedy vor nunmehr 42 Jahren: „Der große Feind der Wahrheit ist sehr oft nicht die Lüge, sondern der Mythos – beharrlich, verführerisch unddoch unrealistisch.“
Am Mythos Fidel Castro ist Alina Fernandez zerbrochen. Der Tochter ist eine normale Beziehung zu einem Mann unmöglich geworden. Vier Ehen sind so gescheitert. Und auch als „kubanisches Opfer“ will sich die engagierte Frau von niemandem jemals wieder vereinnahmen lassen. So wohnt sie in Miami auch nur am Rande des Stadtteils „Little Havanna“. Wenn sie aus ihrem Küchenfenster schaut, geht der Blick in Richtung Kuba. Genau dort ist eine baumhohe Kaktee gepflanzt. Die Stacheln sind besonders spitz.
Niemand, auch ihre Tochter nicht, darf Alina zu nahe kommen. Zuletzt versuchte dies ein Verleger, der ein Buch mit ihr machen wollte. Bevor er die Gespräche abbrach, wurde er in eine Reihe von Unfällen verwickelt. Zufall oder der Fluch?
Alina war gerade zehn, als der Fluch begann. An jenem Tag sagte ihr die Mutter, wer wirklich ihr Vater war: der „Máximo Líder“. 1993 hält sie es nicht länger aus im Land der elf Millionen Unterdrückten, zu Tode verängstigt durch den eigenen Vater. Mit Perücke und spanischem Pass gelingt ihr eine vergleichsweise bequeme Flucht. Schnell wechseln die Länder unddie Emotionen – Angst, Wut, Enttäuschung werden zu den einzigen ständigen Begleitern. Immer neue Stationen: Spanien, Frankreich, Deutschland – wirklich Halt macht sie nirgends. Nur den einen Teil ihrer Mailadresse ändert sie nie: alinacubalibre.
Seit damals läuft Alina Fernandez weg, um doch nirgends anzukommen. Wenn das Lebensziel die Flucht ist, bleibt die Seele auf der Strecke. Ihre wohnt in einem Körper, der zwar die Magersucht, nicht aber das Heimweh besiegen konnte. Zurzeit hat die 47 Jahre alte ewige Tochter in Miami Anker geworfen – dort, wo das gleiche Wasser die Küste spült wie den kubanischen Strand. Mit ihrem Radioprogramm gibt sie in Miami den dort inzwischen 700000 Exilkubanern Stimme und Zuflucht. Deswegen kennen sie hier alle: Alina!

Link
http://www.cicero.de/97.php?ress_id=1&item=337

gefunden von
Johannes

Gruss
Barbara y Johannes

"Die Torheit begleitet uns in allen Lebensperioden.
Wenn einer weise scheint, liegt es daran,
dass seine Torheiten seinem Alter und seinen Kräften angemessen sind."
Francois Duc de La Rochefoucauld

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