Sozialarbeiter in Kuba: Eine zukunftsträchtige Tätigkeit?

31.03.2007 11:27
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#1 Sozialarbeiter in Kuba: Eine zukunftsträchtige Tätigkeit?
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Sozialarbeiter in Kuba, ein zerplatzter Traum
(Aus dem Kuba Magazin)

Tausende von jungen Sozialarbeitern in Kuba, sehen wie ihre Träume zerplatzen, weil sie in „Politischen Missionen“ eingesetzt werden, die mit ihrem Ausbildungsprofil gar nichts zu tun haben.

mary Vor einigen Jahren hatte die Kommunistische Partei Kubas die jungen Kubaner wieder zu einem Projekt der Revolution gerufen. Viele haben den Schritt gewagt. Denn ihnen wurde versprochen, sie als Sozialarbeiter auszubilden, um diese wichtige Arbeit in der Kubanischen Gesellschaft zu etablieren. Heute sind es mehr als 20 000 Schüler auf der Insel, die ihre Abschlüsse als Sozialarbeiter gemacht haben und jedes Jahr werden es mehr und mehr Absolventen. Aber… was bedeutet das für diese jungen Leute, die als „Privilegierte Söhne des Ideologischen Kampfes“ bezeichnet und abgestempelt werden?

Carlos, einer dieser Jungen der als Gymnasiast zur Sozialarbeiterausbildung wechselte, erklärte nach einigen Jahren Erfahrung: … „Ich bin so tief enttäusch! Unsere Aufgaben als Sozialarbeiter bestehen hauptsächlich darin, Kochtöpfe zu verteilen und Glühlampen auszuwechseln. Ich habe immer an die Wichtigkeit dieser Tätigkeit für die Gesellschaft geglaubt. Aber wie hätte ich mir auch so was vorstellen können?
Carlos vermeidet nicht, seine Enttäuschung weiter zu äußern.…. „ Zuerst kam die abrupte Trennung von der Familie, den Freunden, und der gewohnten Umgebung. Ich wollte nach dem Abschluss hier in meiner eigenen Gemeinschaft bleiben und arbeiten. Es gibt hier so viel zu tun, was mir am Herzen liegt. Aber das durfte ich nicht. Nach meinem Abschluss haben sie mich zu einer so genannten „Plan Benzine“ delegiert.
Der Ortswechsel war gravierend. Die Folge: Meine Freundin und ich beendeten unsere Beziehung nach einem halben Jahr verordneter Distanz. Das passiert Vielen und es sind nicht nur die persönlichen Aspekte die mich wütend machen. Sonder die unseriösen Planungen, die Menge an Organisation, der Transport der nicht erfolgen kann, da keine Ersatzteile zur Motorreparatur vorhanden sind und alles wie immer „a la criolla“…abläuft in unserem „Socialismo Tropical“ (tropische Sozialismus) an den wir ja schon lange gewöhnt sind.

Die Propaganda bezeichnet uns als Privilegierte. In Wirklichkeit sind wir Opfer einer unnötigen Improvisation. Aber wofür? Ich wäre jetzt im 6ten Semester meines Psychologiestudiums.
Sie sagen, wir dürften immer wenn wir wollen die Fächer fürs Examen besuchen, aber zum Unterricht kann ich nicht gehen. Wir sind ein Objekt der offiziellen Propaganda. Die Realität sieht anders aus, als das Versprechen und die Vorstellungen die ich in Sinn hatte, ich und so viel Andere von uns diese Veränderungen in ihrem Bildungsweg entschieden haben.
Eine andere junge Frau - die Carlos begleitete (wollte ihren Name nicht verraten) sagte: Alles fing mit einem Diskurs an und angeblich klaren Zielen: Sozialarbeit in Gemeinschaften zu leisten, Verantwortung zu übernehmen, um Leuten mit Problemen zu helfen. Das wurde uns erzählt, alles wie in einem Märchen. Den Hintergrund haben wir jedoch nicht erkannt. Aus uns haben sie eine Art von neuen Kontrolleuren oder Inspektoren gemacht. Wir sollen als Sozialarbeiter fungieren, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und heraus zu finden, was jeder in seiner eigenen Wohnung oder in seiner Privatsphäre treibt.
So sollten wir die Korruption in der Bevölkerung bekämpfen. Das empfand ich als erniedrigend. Auch die Forderung nach einer möglichst großen Zahl an Meldungen!!! Die sind wichtig für die Politiker, weil so eine Massen Bewegung unsere Revolution wieder in Erinnerung rufen und die Welt von unseren Werten überzeugen sollte. Alles nur pures Gewäsch. Wahre Möglichkeiten, um in Richtung Sozialarbeit oder sozialer Prävention unsere Erwartungen und Träume zu entfalten und zu entwickeln, sah ich nie.

Das ist nichts Neues. Im Laufe der Geschichte der Revolution gab es viele Beispiele an Massenbewebungen, die das Image der Revolutionäre aufpolieren sollten.


Beispielsweise die Alphabetisierungscampagne, die Massenmobilisierung „al corte de caña“: zum Zuckerrohrschneiden, die Kaffeeernten oder die Kontingente in der Nickel Zone von Moas Mine, woraus das bedeutendste Jugendwerk nach der Revolution entwickelt wurde. Die vielen Ärzte - die in andere lateinamerikanische Länder und überall in die Welt geschickt werden, während unsere Polikliniken wegen Personalmangels täglich überfüllt sind, ein Defizit an Medikamenten herrscht oder die Krankenhäuser über keine Bettwäsche verfügen… (im Fall von stationärer Behandlung muss sie von Zuhause mitgebracht werden).
Die tristen Kriegsmissionen in Afrika erspare ich mir lieber, denn ich möchte sie gar nicht erwähnen. Man musste immer den Schritt nach vorn wagen, weil ein Befehl der Kommunistischen Partei es verlangte. Sich zu weigern könnte heute noch schlimme Folgen haben, weil man dann von anderen Dingen automatisch ausgeschlossen wird. Heute sind die Sozialarbeiter als Trend an der Reihe, um die Versprechen der Revolution zu erneuern! Irgendwann- früher oder später - entdeckt man, dass alle diese Projekte überspannte Ziele verfolgen und sie das Resultat einer eigenmächtigen und willkürlichen Entscheidung sind.
Man wird einfach zu anderen Zwecken manipuliert. Für unsere Politischen Dirigenten ist das Wichtigste - die Politik die sie machen wollen, als ob wir entmündigte Lebewesen wären.
Jedoch sind die Meinungen unter den jungen Kubanern darüber nicht homogen. Einige sehen diese Sozialarbeit als das Abenteuer ihres Lebens an, da sie so andere Orte und Städte kennen lernen können. Jene - die in Guantánamo oder in der Provinz Las Tunas auf Zisternen klettern mussten, um LKW Fahrer oder Brummis an die Seite zu verpfeifen und sie bezüglich des Benzintransportes zu kontrollieren und manchmal ans Messer liefern mussten, fanden ihren Einsatz nicht besonderes attraktiv. Sie fragten sich, was hat das mit Sozialarbeit zu tun?
Eine junge Frau, Elena verrät uns, dass sie zu einer Tankstelle beordert wurde mit dem Auftrag, ein wachsames Auge auf das Benzin der Brummis zu haben. Sie sollte alles beobachten, um die Korruption oder den Schwarzen Markt jeglicher Art zu bekämpfen. Für mich war es nicht so schlimm wie die Aufträge, von denen die Anderen mir erzählt hatten. Ich konnte die Zügel meiner Eltern loswerden, andere Orte des Landes besuchen und neue Menschen kennen lernen. Außerdem dachte ich, selbst wenn wir als Korruptions-bekämpfungsbeauftragte arbeiten sollen, würde ich auf gar keinen Fall auf Trinkgelder und andere Geschenke verzichten. Wenn ich sie nicht nehme, wird ein Anderer davon profitieren. Also nahm ich sie immer und es ist mir nicht unlieb. Egal welcher individuellen Meinung jeder Einzelne sein mag, eins ist klar: Der Beruf der Sozialarbeiters in Kuba steht unter starker politischer Prägung und ist für die Ideologen und Dirigenten des Regimes in Havanna als ein wichtiger „ Triumph“ gedacht – jedoch mit unlauteren Kampagnen.
Diese jungen Leute dienen der Revolution ohne ihre eigenen Probleme gemeistert zu haben. Sie werden in andere Provinzen geschickt, um Kochtöpfe, Matratzen, Fernsehengeräte und andere Artikel zu verteilen bzw. zu verkaufen. Aber das macht aus ihnen weder Solidarische Figuren noch Revolutionsverkünder, wie die Staatsführung das geplant hatte. Die Medien und die offizielle Propaganda versuchen aus ihnen die „Neuen Wohltäter der Wohnviertel “ zu machen. Jedoch die Leute wissen Bescheid. Man kann ihnen nicht trauen. Maritza, eine fünfzigjährige Frau erzählt: - Ich sehe sie im Park, sie gehen spazieren und amüsieren sich harmlos. Aber von Anfang an stellen sie merkwürdige Fragen und zwar intime Fragen, die nur die eigenen Familienangehörigen angehen: Wie viel verdienst du? Bekommst du Pakete oder Geld in Valuta von Angehörigen aus dem Ausland? Wie viele Ventilatoren hast du oder von woher hast du dieses oder jene? Das kam mir immer sehr verdächtig vor. Ich traue ihnen nicht.
Diese Jugendlichen werden in eine Situation gebracht, die sie schwer bewältigen können. Für manche ist das ein Umsturz in ihrem Leben. Auf der einen Seite sind sie Verteiler von Artikeln die sonst im normalen Geschäfte innerhalb weniger Stunden verschwunden wären, da sie in den Schwarzen Markt geflossen wären.
Auf der anderen Seite betrachtet sie die Bevölkerung als offizielle Beauftragte oder Vollzugsperson der neuen Überwachung mit einem sichtbaren Gesicht. Man darf dabei nicht übersehen, dass in Kuba selbst der Schwarze Markt bei all der Mangelwirtschaft nicht mehr als den minimalen Bevölkerungsbedarf deckt.
Wenn diese jungen Kubaner zusammen sitzen und sich Anekdoten erzählen werden die Meinungsverschiedenheiten unterschlagen.
Carlos sprach weiter: Es gibt Tage, an denen ich nur als Bewacher eines Lagers eingesetzt bin und nur das mache. Dafür hätte ich keinen Abschluss als Sozialarbeiter machen müssen oder? Elena lächelt mal zornig, mal ironisch und irgendwie resigniert. .. „Ein Mal sind wir mit einer Volkszählung von Behinderten beauftragt worden in einem vergessenen Kaff, viele Kilometer von hier entfernt. Als wir ankamen, sahen wir, wie die Leute: Kinder, Alte, alle - als ob jemanden hinter ihnen her wäre - verschwanden. Sie sind teilweise sogar gerannt. Sie verließen die Wohnungen mit Paketen. Wir haben das gar nicht verstanden. Erst viel später erfuhren wir durch einen Zufall, dass sie nur die Artikel und Produkte von illegalen Märkten vor uns versteckt haben. Das bewies, dass sie uns nie vertrauen würden. Ich frage mich, was für ein Sozialdienst ist das, wenn die Leute dich als Verräter ansehen? In unserer Gruppe sind viele, die in den Missionen in Venezuela auch einen Sinn gesehen haben. Bei den von dort zurückkehrenden Kollegen haben sie sich erkundigt und erfuhren, dass dort der Lohn zu niedrig ist und man sowieso nach Kuba nichts mitbringen darf. Eine Freundin von Elena- die neben ihr steht erzählte, dass sie in Venezuela war und die ganzen Monate nur kaputte Glühlampen ausgetauscht hat. Es ist absurd - aber entspricht der Wahrheit. Man sollte T-Shirts mit dem Slogan „Más cubanos, más humanos“: Die Kubaner sind die Menschlichsten tragen. Das klingt nach steinalten Parolen. Ich hoffe, dass die Venezolaner es schneller begreifen als wir.
Nach einigen Jahren wurde uns klar –erzählt Carlos - dass wir uns für diesen Sozialdienst auf zehn Jahre verpflichten haben ohne davon zu wissen. Wieder eine der typischen willkürlichen Entscheidungen, bei der die eigene Meinung missachtet wurde. Jetzt bleibt uns nur abzuwarten. Manche sind natürlich verzweifelt. Andere jedoch sind auf der Jagd nach jeder Mission, um den meisten persönlichen Profit daraus zu ziehen… falls das überhaupt möglich ist. Wir sind keine Verteiler und wir wollen uns damit nicht abfinden. Aber mittlerweile sagt man hier schon: Verteilen hier und verteilen da, aber ich bekomme dabei die besten Teile.

Quelle: http://www.kuba-magazin.de


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