Chronik eines angekündigten Todes

27.05.2006 13:12 (zuletzt bearbeitet: 27.05.2006 13:14)
avatar  Chris
#1 Chronik eines angekündigten Todes
avatar
Rey/Reina del Foro
Chronik eines angekündigten Todes

Zensur gibt es für die Medien in Kolumbien nicht. Aber ihre Journalisten arbeiten unter Lebensgefahr

Von Michael Schmidt, Bogotá

Julio Hernando Palacios Sánchez, Moderator des Rundfunksenders Radio Lemas in Cúcuta im Nordosten Kolumbiens, ist auf dem Weg zur Arbeit, als er am frühen Morgen des 11. Januar 2005 von zwei Unbekannten auf Motorrädern niedergeschossen wird. Trotz dreier Schusswunden in der Brust fährt Palacios zurück nach Hause. Seine Familie bringt ihn ins Krankenhaus.Vergebens. Zwei Stunden später stirbt Sánchez.

In den vergangenen 15 Jahren wurden in dem Andenland mehr als 50 Journalisten umgebracht. Von Autobomben zerrissen, von Kugeln durchsiebt, gefoltert und hingerichtet. Weil sie über Korruption, Drogenhandel oder Menschenrechtsverbrechen berichteten. Journalismus, investigativer Enthüllungsjournalismus zumal, hat es schwer, sich als Sturmgeschütz der Demokratie zu bewähren, in einem Land, das seit mehr als vier Jahrzehnten durch einen bewaffneten Konflikt mit schwer durchschaubaren Fronten verheert wird. Hier linke Guerillas, dort rechte Paramilitärs, mittendrin die Drogenmafia, und immer wieder auf die eine oder andere Weise beteiligt: die Politik und das staatliche Militär.

Das Recht zur freien Meinungsäußerung wird unter solchen Umständen leicht zur hohlen Phrase. „Wir haben in Kolumbien zwar keine staatliche Zensur wie in China oder Kuba“, sagt Carlos Cortés Castillo, Direktor der Fundación para la Libertad de Prensa (FLIP). Die Pressefreiheit ist seit 1991 verfassungsrechtlich garantiert. Doch die Situation der Medien sei trotzdem Besorgnis erregend, sagt Cortés. „Der Staat ist weder in der Lage, gewaltsame Übergriffe zu verhindern, noch die Täter zu bestrafen.“

Die Bedrohung von Journalisten hat viele Gesichter. Sie ist physischer, psychischer, politischer und ökonomischer Natur. Drohungen, Einschüchterungs- und Erpressungsversuche erreichen sie als SMS – „dein Tod naht“ –, am Telefon – „wir wissen, wo deine Kinder zur Schule gehen“ –, oder direkt, unmittelbar, mit vorgehaltener Pistole – „es wäre besser, du verlässt das Land ...“

Wie jeder Krieg, sagt Cortés, sei auch der kolumbianische ein Krieg um die Köpfe, ein Krieg um die Herrschaft über Informationen. Jede Seite versuche, die Medien für ihre Zwecke zu nutzen. Die Paramilitärs wollen sie zum Schweigen bringen, um eine Berichterstattung über ihre Verbrechen zu verhindern. Die Guerilla bombt mit Vorliebe Radiostationen in die Luft, um möglichst viel publizistische Aufmerksamkeit zu provozieren. Von staatlicher Seite haben Journalisten kaum Hilfe zu erwarten, weil Politiker häufig der verlängerte Arm einer der Akteure sind – oder aber daran interessiert, dass ihre eigenen unsauberen Geschäfte und Korruptionspraktiken im Dunkeln bleiben.

...

http://www.tagesspiegel.de/medien/archiv...006/2553821.asp
Cuba-Reiseinfos
avenTOURa


 Antworten

 Beitrag melden
Seite 1 von 1 « Seite Seite »
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!