Gespräch mit Verleger Pío Serrano, Zeitzeuge der Revolution (DLF)

28.12.2008 21:11
#1 Gespräch mit Verleger Pío Serrano, Zeitzeuge der Revolution (DLF)
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Rey/Reina del Foro

Deutschlandfunk, "Essay und Diskurs" vom 28.12.08

"Vor 50 Jahren fand unter Fidel Castro die Revolution in Kuba statt. Aus diesem Anlass startet eine dreiteilige Serie, in der in Gesprächen mit Schriftstellern eine kritische Bilanz gezogen und nach den Zukunftsperspektiven Kubas gefragt werden soll. Im ersten nun folgenden Gespräch unterhält sich Peter B. Schumann mit dem Verleger Pio Serrano."

Zitat von DLF
Schumann: Pio Serrano, Sie waren am 1. Januar 1959 ein 17-jähriger Jugendlicher, der kurz vor seinem Abitur stand und sich bereits an Manifestationen gegen die Diktatur Batista beteiligt hatte. Was bedeutete für Sie damals der Sieg der Revolution?
Serrano: Es war eher ein biologisches als ein ideologisches Bedürfnis für diesen Jugendlichen, an diesem Umbruch teilzunehmen, an dem alte Werte durch neue ersetzt wurden. Es war ein Glück für mich, dass meine biologische Entwicklung mit den Umwälzungen durch die Revolution, mit den Kräften der Erneuerung zusammenfiel. Wenn ich heute, 2008, kurz vor dem Jahrestag ohne Zorn darauf zurückblicke, dann muss ich anerkennen, dass es sogar ein Privileg war, jene Zeit der Revolution erlebt zu haben. Wenn es etwas außerordentlich Befriedigendes in meinem Leben gab, dann waren es jene ersten Jahre voller Hoffnung und Enthusiasmus. (...)
Schumann: Wie ist denn das zu begreifen, dass eine Revolution, die den 'neuen Menschen' schaffen will, andere Menschen, die ihr nicht passen, in Arbeitslager sperrt?
Serrano: Meines Erachtens hängt das mit der schon erwähnten Ideologie der Anführer aus der konservativen Mittelschicht zusammen und ihrem karibischem Machismus, der sie für diesen Schwulenhass empfänglich machte. Paradoxerweise waren einige führende Mitglieder der Revolution bekannte Homosexuelle. Vielleicht war ja diese ganze Kampagne bloß die Laune eines der obersten Kommandanten, aber wir alle haben sie geduldet. Das war das Furchtbare daran. Denn diese Lager haben jahrelang existiert, und es wurden dort nicht nur Homosexuelle verwahrt, sondern auch gläubige Katholiken oder Vertreter von Afro-kubanischen Religionen, die heute zum exotischen Teil des Tourismus gehören. Kardinal Jaime Ortega war dort und der Sänger Pablo Milanés. (...)
Schumann: Was bleibt also von dem großen Traum der Neugestaltung Kubas?
Serrano: Die Überreste eines Schiffbruchs. Die Phantasmen eines Traums. Und die ungeheuere Fähigkeit der Kubaner, sich rasch zu regenerieren, was sie in den letzten hundert Jahren ihrer Geschichte immer wieder bewiesen haben.


komplettes Interview hier


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