Ein bisschen Politik...

04.11.2002 13:43 (zuletzt bearbeitet: 09.11.2002 18:37)
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#1 Ein bisschen Politik...
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Rey/Reina del Foro

Aufschlussreiches Interview, welches die Situation kompetent und realistisch beschreibt, also weder von Miami-Cubanern, Washington-Mafia noch Castro-Söldnern gesponsert ist!..

ila 256 (Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika, Juni 2002):

Washingtons Anschuldigungen gegen Cuba

Ehemaliger US-Chefdiplomat in Havanna Wayne S. Smith zu Bushs Propagandaoffensive.

Mitte Mai hat der ehemalige US-Präsident James (Jimmy) Carter Cuba besucht. In einer live vom cubanischen Fernsehen ausgestrahlten Rede forderte er die Achtung der Menschenrechte und ein Ende des seit 40 Jahren währenden US-Embargos. Der Bush-Administration kam Carters Besuch höchst ungelegen, hätschelt sie doch die ultrarechte Exil-Cubaner-Klientel in Florida. Schließlich stehen dort demnächst Gouverneurswahlen an.

Zur Diskreditierung der cubanischen Führung behauptete der stellvertretende US-Außenminister Bolton, Cuba unterstütze andere Länder bei der Produktion von Biowaffen. Beweise für seine Behauptungen blieb er schuldig.

Aus gutem Grund, meint Wayne S. Smith im nachfolgenden Interview: die Vorwürfe sind haltlos und entbehren jeder Grundlage. Smith war während der Präsidentschaft Carters US-Geschäftsträger in Havanna. Heute ist er politischer Berater beim regierungsunabhängigen "Zentrum für internationale Politik" in Washington.

In einer mehrseitigen Erklärung haben Sie massiv gegen die Anschuldigungen des US-Vize-Außenministers John Bolton gegen Cuba protestiert, der behauptete, auf der Insel würden offensive Biowaffenprogramme verfolgt. Was spricht gegen diese These?

John Bolton ist vor die Presse getreten, ohne auch nur den geringsten Beweis für seine Behauptungen vorzulegen. Man stelle sich das vor: Da tritt ein ranghoher Regierungsvertreter aufs Podest, um eine Regierung der illegalen B-Waffen-Produktion zu bezichtigen und antwortet auf die Frage nach Belegen, dass diese geheim gehalten werden müssten. Solche Vorwürfe können Kriege auslösen.

Eine simple Fehleinschätzung?

Mitnichten. Die Regierung Bush weiß sehr genau, welche Auswirkungen solche Behauptungen haben können. Natürlich ist die bio- und gentechnologische Forschung Cubas hochentwickelt und nimmt im internationalen Maßstab eine durchaus führende Position ein. Es wird eine Reihe von Medikamenten und Impfstoffen produziert. Bei der Produktion von Impfstoffen kann natürlich auch immer der Erreger zu militärischen Zwecken produziert werden, das wird als sogenannte dual-use-Problematik beschrieben. Auch kommt in beiden Bereichen dieselbe Technik zum Einsatz, Zentrifugen etwa. Ich kann aber immer nur darauf hinweisen, dass es im Fall von Cuba nicht den geringsten Anlass gibt, von einer Biowaffenforschung auszugehen. Auch lässt die Politik der cubanischen Regierung diese Intention nicht erkennen.

Welche Auswirkung hat der Besuch Ihres einstigen Chefs, James Carter, in Havanna?

Die Sache ist für das Weiße Haus ungeheuer peinlich. Wenige Tage, nachdem Bolton vor die Presse trat, hat Herr Carter die betreffenden Labore besucht und konnte sich völlig frei bewegen. Die Einladung in das "Zentrum für Gen- und Biotechnologie" in Havanna ist übrigens vor Boltons Stellungnahme ausgesprochen worden. Die Ergebnisse des Besuches sprechen für sich. James Carter hat am vergangenen Dienstag eine Rede in Havanna gehalten, die live übertragen und am Mittwoch in der Regierungszeitung "Granma" ungekürzt veröffentlicht wurde. Was kann man sonst noch erwarten? Tatsache ist, dass dieser Besuch der Beziehung zwischen beiden Staaten mehr geholfen hat, als es die Bush-Administration je zustande brachte und je zustande bringen wird.

Welche Gründe sehen Sie also für das Weiße Haus, die Angriffe gegen Cuba gerade jetzt zu lancieren?

Genau zwei. Nummer eins: Um wenige Tage vor dem Carter-Besuch die Stimmung zu verschlechtern und die Reise so zu erschweren. Nummer zwei: Im November stehen in Florida Kongresswahlen an, zu denen Jeb Bush, der Bruder des amtierenden 42. Präsidenten der USA, kandidiert. Die cubano-amerikanischen Hardliner in Florida beklagen seit Bushs Einzug ins Weiße Haus, dass die Regierung einen zu nachgiebigen Kurs gegenüber Cuba fährt und ihre Interessen vernachlässige. Mit dem nahenden Wahltermin macht die Regierung eben das, was diese extremistischen Gruppen fordern. Ich halte das für höchst verantwortungslos, weil gerade nach dem 11. September die Möglichkeit bestanden hat, die Beziehungen zu Havanna zu normalisieren. Angebote dazu von der cubanischen Regierung gab es. Nun aber sind wir von einer Normalisierung Jahre entfernt. Dass nun solche Vorwürfe erhoben werden, ohne irgendeinen Beweis zu erbringen, spiegelt nicht nur ein amateurhaftes Niveau der Regierung wider, es zeigt auch die inneren Machtverhältnisse. Es widerspricht dem immer wieder von der Regierung in Washington erklärten Ziel der Bekämpfung des Terrorismus. Das ist höchst verantwortungslos.


Die Verbindungen zwischen Regierung und exilcubanischen Extremisten sind also ungebrochen?

Absolut. Bei sieben der zwölf hochrangigen Regierungsberater in lateinamerikanischen Angelegenheiten handelt es sich um exilcubanische Hardliner. Das beginnt bei Otto J. Reich und setzt sich über seinen Stellvertreter Lino Gutiérrez fort. Auch der US-Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten, Roger Noriega, gehört dieser Gruppe an.

Wie wird die Bush-Politik gegenüber Cuba in weiteren Kreisen in den USA aufgenommen?

Es gibt eine breite Opposition gegen die derzeitige Politik. Die Landwirtschaftsverbände setzen sich für eine Normalisierung ein, weil sie ihre Produkte nach Cuba liefern wollen. Wirtschaftsverbände schließen sich dieser Forderung an. Der Kalte Krieg ist eben vorbei und Cuba stellt in keiner Weise mehr eine Gefahr für die Vereinigten Staaten von Amerika dar. Ein Wechsel unserer Politik ist also lange überfällig. Viele US-Bürger haben das erkannt ...

...ohne dass sich die Regierung davon offenbar beeindrucken lässt.

Schauen wir auf die Details. Im US-Kongress mehren sich die kritischen Stimmen gegen das Embargo und gegen die harte Cuba-Politik der Bush-Regierung. Auch das ist auf Initiativen an der Basis zurückzuführen, die sich an ihre jeweiligen Abgeordneten wenden. Und der Kongress reagiert darauf, so dass hier Ansätze für eine neue Cuba-Politik durchaus zu erkennen sind. Die Regierung in Washington - und in Anbetracht der familiären Beziehungen ist das durchaus einsichtig - handelt an diesen Forderungen vorbei und fokussiert einzig die anstehenden Kongresswahlen in Florida. Vergessen wir nicht, dass George W. Bush nach der x-ten Auszählung die Präsidentschaft mit einem Vorsprung von 500 Stimmen in Florida gewonnen hat. Das war verdammt knapp. Weder der Präsident, noch sein Bruder, der Gouverneur von Florida, dürfen auch nur eine Stimme verlieren. Das liefert beide den cubano-amerikanischen Extremisten aus, man kann fast sagen, dass sich die Regierung in der Hand von diesen Gruppierungen befindet.

...die, wie die Cubanisch-Amerikanische Nationalstiftung (CANF) nachgewiesenermaßen Beziehungen zu Terroristen unterhalten.

Das macht die Brisanz der Lage aus, weil beide nahezu alles tun werden, was diese Gruppen fordern. Es sind dieselben Interessengruppen, die mit dem Elián-Gonzales-Fall Clinton zu schaffen machten.

Welche Chancen geben Sie der cubanischen Regierung in dieser Situation, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen? Es scheint, dass die US-Regierung behaupten kann, was sie will.

Havanna hat sich verteidigt. Die Regierung kann die Beschuldigungen zurückweisen und seine Forschungseinrichtungen überprüfen lassen. Beides ist geschehen.

Sie waren während der Präsidentschaft von James Carter der Leiter der Interessenvertretung in Havanna. Welche Möglichkeiten sehen Sie heute für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Havanna?

Sie meinen unter Bush? - Ja. - Keine.

Das Interview führte Harald Neuber im Mai dieses Jahres.
Moskito


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09.11.2002 18:36
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#2 RE:Washingtons Anschuldigungen gegen Cuba
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Rey/Reina del Foro


Der Jahresbericht 2002 von Amnesty beschreibt deutlich die Menschenrechtssituation im heutigen Cuba, zeigt gleichzeitig die Mitverantwortung der USA.

"Das seit 40 Jahren bestehende Handelsembargo der USA leistete auch im Berichtszeitraum einem Klima Vorschub, in dem grundlegende Rechte der kubanischen Bevölkerung missachtet wurden....Die UN-Generalversammlung verurteilte im November zum zehnten Mal in Folge mit überwältigender Mehrheit das US-Embargo."

Kritisiert werden vor allem:

- Gewaltlose politische Gefangene: Ende des Berichtszeitraums befanden sich in Kuba mindestens sieben gewaltlose politische Gefangene in Haft.

- Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren: Eine Reihe von Dissidenten wurde mehrere Monate lang ohnebGerichtsverfahren in Haft gehalten, bevor man sie wieder auf freien Fuß setzte. Es handelte sich bei ihnen um gewaltlose politische Gefangene.

- Unzureichende medizinische Versorgung von Gefangenen: Der Mangel an ausreichender medizinischer Versorgung von Gefangenen gab weiterhin Anlass zur Sorge. Durch das US-Embargo war zwar der Vorrat des Landes an Medikamenten und Bedarfsgütern eingeschränkt, doch lagen Hinweise dafür vor, dass in einigen Fällen politischen und gewaltlosen politischen Gefangenen vorsätzlich gesundheitliche Betreuung verweigert worden ist, um sie zu bestrafen.

- Schikanierung von Dissidenten: So sahen sich vermeintliche Dissidenten Kurzzeitinhaftierungen, wiederholten Vorladungen, Drohungen, Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit und dem Verlust ihrer Wohnung und ihres Arbeitsplatzes ausgesetzt.

- Todesstrafe: Es deutete sich eine Änderung der Todesstrafenpolitik der Regierung an. Im Berichtszeitraum haben - soweit bekannt - keine Hinrichtungen stattgefunden. Abgeschafft wurde die Todesstrafe allerdings nicht.

Interessant zum Vergleich, auch der Jahresbericht 2002 VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA, Interessant, vor allem, weil eines der Hauptargumente, für die Aufrechterhaltung der US-Sanktionen genüber Cuba, ja die fehlenden Menschenrechte und Demokratie sind...

- Festnahmen:Über 1200 Menschen, vor allem Bürger aus Staaten Südasiens und des Nahen und Mittleren Ostens, wurden während der Ermittlungen zu den Anschlägen vom 11. September in Haft genommen. Bürgerrechtler kritisierten, dass in bisher nicht gekannter Weise Informationen über Festnahmen von den Behörden geheim gehalten wurden.

- Polizeibrutalität: amnesty international erhielt im Berichtsjahr weiterhin von Meldungen über Polizeibrutalität und polizeilichen Schusswaffengebrauch unter umstrittenen Umständen Kenntnis. Unter den Opfern waren viele Angehörige ethnischer Minderheiten.

- Folterungen und Misshandlungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten: Aus verschiedenen Haftanstalten sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche wurden Verstöße, darunter der exzessive Einsatz von Gewalt, der Missbrauch von Elektroschockwaffen und chemischen Sprays sowie der Einsatz von Zwangsmaßnahmen gemeldet.

- Todesstrafe: Im Berichtsjahr wurden 63 Männer und drei Frauen hingerichtet, womit sich die Zahl der seit 1976 nach der Aufhebung des Hinrichtungsmoratoriums durch den Obersten Gerichtshof in den USA vollstreckten Todesurteile auf 749 erhöhte. Nach wie vor verstießen die USA gegen internationale Standards, indem sie die Todesstrafe unter anderem weiterhin gegen psychisch Kranke, zur Tatzeit Minderjährige und Angeklagte, die ungenügenden rechtlichen Beistand hatten, verhängten.

Na ja, wen es interessiert, kann ja die Links aufrufen!

Für Jahresbericht USA:

http://www2.amnesty.de/internet/deall.ns...43?OpenDocument

Für Jahresbericht Cuba:

http://www2.amnesty.de/internet/deall.ns...9a?OpenDocument

Moskito


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10.11.2002 09:12 (zuletzt bearbeitet: 10.11.2002 09:18)
avatar  ( Gast )
#3 RE:Washingtons Anschuldigungen gegen Cuba
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( Gast )

Die Geschichte eines Grünen in USA
Wenn man heute über USA scheibt ist nicht mehr die Frage eine Ungerechtigkeit mit der Anderen aufzuwiegen, sondern dieser "Demokratie" zu ermöglichen, sich im Spiegel zu schauen.
Im Osten war praktisch die ganze Bevölkerung kritisch gegenüber den Machthabern, was in USA, auch wegen wesentlich niedrieger allgemeinen Bildung, die Bevölkerung nicht kritisch gegenüber der Macht ist, sondern umgekehrt gegen die, die (wie die Grünen) den Zustand verbessern wollen, als Systemveränderer und auf das Niveau der Terrrosten abgestempelt werden.
Es sieht so aus, dass im Namen des Terrorismus, sich die Zustände nähern, wo, weil die USA alles beherrschen, Alle die eine andere Meinung offen aussprechen, in die Nähe von Terroristen gebracht werden.

Gruss
José

Dem Grünen wurde verweigert nach Prag zu fliegen. Er wurde ausgefragt und von einem zum anderen Flughafen geschickt. Nach 43 Stunden ist er nach Hause zurückgekehrt.
Es ist schon sinnvoll diese Zustände zu wissen und dann die Schreie nach "Demokratie" in Kuba besser zu verstehen, dass man weiss, ahnt was für eine Demokratie gemeint wird.

Aus Green Screen:

http://www.cubanonet.com/cgi-bin/bbs/ind...ames;read=14080

CP note: Two or three times a week we see stories on the web
about people detained from flying because they show up at
the check in computers, or because they’re Men of Profile
(MOPs), i.e; of non-white ethnic origin. Doug Stuber was
state chairman of the North Carolina Green Party and more
recently its campaign coordinator: Here’s his story.

I went back the next morning, and instead of paying $670 round trip was forced into a $2,600 “same day” air fare.

At one point I asked if they really believed the Greens were equal to Al Qaeda They showed me a document from the Justice department that actually does show the Greens as likely terrorists. Just as likely as Al Qaeda members.


I then drove three hours home (43 hours trying to catch a flight) and crashed hard in bed. It appears that Greens, who have ten key values that include nonviolence, social justice, etc., are considered terrorists by the Ashcroft-led Justice Department.

I had always speculated that capitalism had gone too far. Now I know for sure.


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30.11.2002 23:15
avatar  UJC
#4 RE:Ein bisschen Politik...
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UJC
super Mitglied

In Antwort auf:
In einer mehrseitigen Erklärung haben Sie massiv gegen die Anschuldigungen des US-Vize-Außenministers John Bolton gegen Cuba protestiert, der behauptete, auf der Insel würden offensive Biowaffenprogramme verfolgt. Was spricht gegen diese These?

John Bolton ist vor die Presse getreten, ohne auch nur den geringsten Beweis für seine Behauptungen vorzulegen. Man stelle sich das vor: Da tritt ein ranghoher Regierungsvertreter aufs Podest, um eine Regierung der illegalen B-Waffen-Produktion zu bezichtigen und antwortet auf die Frage nach Belegen, dass diese geheim gehalten werden müssten. Solche Vorwürfe können Kriege auslösen.


Nichts desto trotz greift man in Cuba zur Gegenpropaganda:

http://news.bbc.co.uk/hi/spanish/science...000/2528949.stm
"Cuba abre centros de biotecnología" - 29.11.02 / BBC Mundo (en Español)

************************************************
Eine Wohnung fuer Dich allein direkt am Malecón?
http://www.geocities.com/casamalecon/
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Radio y Televisión Cubana en vivo


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