Reisebericht Januar 2004

26.01.2004 09:39 (zuletzt bearbeitet: 05.04.2004 10:06)
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#1 Reisebericht Januar 2004
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Forums-Senator/in

Habe diesmal seit langer Zeit wieder mal Tagebuch geschrieben, hier der erste Teil. Viel Spass !

2. Januar 04

Nachdem Pere die ganze Nacht wach war und auch Yuni und Yuri nur wenig schliefen, während ich zumindest ca. 5 Stunden schlafen konnte, läutete der Wecker um 6:00 Uhr. Wir waren reisefertig nach relativ kurzer Zeit Mit klammen Fingern verschnürten wir 2 grosse Koffer auf dem Autodach, der Rest des Gepäcks kam hinten rein, das Handgepäck auf die Schösse.
Den guten Kilometer zum S-Bahnhof legten wir schnell zurück. Es war noch stockdunkel und eiskalt. Das Eis knirschte trocken unter den Reifen. Den anfangs angepeilten Zug um 7:11 Uhr verpassten wir mit Leichtigkeit, vier Leute besassen eine wesentlich grössere Trägheit als 2 und waren durch Antreiben nur wenig zu beschleunigen. Glücklicherweise hatte ich grosszügig kalkuliert und nach 10 Minuten Warten in kalter Nacht kam schon die Bahn, die uns zügig zum Flughafen brachte.
Nach 2 Stunden Verspätung ging es auch schon los. Mit Hilfe von Nikotinkaugummi überstand ich die 11 Stunden Flug fast ohne Entzugserscheinungen. In Varadero kamen wir locker durch, nur Yuni’s Rucksack mit Medikamenten wurde 10 Minuten lang geprüft, ohne weitere Beanstandung.

Da ich auf die Frage, ob ich mit einer Kubanerin verheiratet wäre, wahrheitsgemäß mit ja antwortete und auch, dass sie mit von der Partie wäre, wollte die Beamtin auch die Heimatadresse in Kuba wissen, die sie dann auch sorgfältig in die Touristenkarte eintrug mit dem Vermerk „ c/clasific „ und dem Hinweis, uns in Santiago bei der inmigracion zu melden (was wir natürlich nicht taten). Später hierzu mehr….. .

Mit einem Kleinbus particular ging es nach Matanzas, einen deutschen Schwätzer mit russischer Ehefrau im Schlepp, der sich an den Fahrtkosten beteiligte, aber ohne jede Vorkenntnisse und Reiseführer aufgemacht hat, Kuba zu besuchen. Wir trafen ihn am nächsten Morgen noch mal, er hatte sich da aber schon einem deutschen camajan angeschlossen.

Übernachtung in einer cp zu viert zu überhöhtem Preis.


3. Januar 04

Ohne Frühstück mit einem Lada gings zum Busterminal in Matanzas. Hier erfuhren wir, dass heute kein Bus nach Santiago fährt, also mit dem Pferdekarren zum Bahnhof, der Zug fuhr sehr viel später und hatte wegen Maschinenschaden auch noch 4 Stunden Verspätung. Wenn wir am Vorabend direkt zum Bahnhof gefahren wären, hätten wir den Zug nach Santiago noch gekriegt, da dieser eben auch mit Verspätung abfuhr. Der Zug frances hält übrigens nicht in Matanzas, sondern fährt langsam, mit schadenfroh winkenden Passagieren, durch.


4. Januar 04

Nach ca. 14stündiger Fahrt ohne Zwischenfälle kamen wir ca. 7:00 in St. Luis an, der Bahnangestellte in Matanzas hatte also auf Bitte von Yuri in Boniato angerufen und Elena, Yuri’s Mutter verständigt, dass wir kommen. Unser Stammfahrer wurde also nächtens verständigt und wartete ab ca. 4:00 Uhr morgens in St. Luis mit seinem blauen Le Soto auf unsere Ankunft. Die Wiedersehensfreude war gross und es flossen reichlich Tränen.
Wir also dann zu acht mit gewaltig Gepäck rein in die maquina und Richtung Boniato. Die Morgensonne tauchte alles in ein frisches, strahlendes Licht, das satte Grün der Bananenstauden leuchtete uns entgegen, wir fuhren durch diese wunderbare kubanische Landschaft, die dieses Land so unwiderstehlich macht.
In Boniato wurden wir von Pedri / cangrejo, dem combatante begrüsst, der mit Elena seit ca. 12 Jahren dort wohnt.
Im Gegensatz zu Matanzas hatte ich hier auf dem Land das Gefühl, dass alles beim alten war und evtl. Änderungen von staatlicher Seite noch nicht angekommen sind. Hier gibt’s den ron noch für 20 Pesos pro Flasche (nach meinem Geschmack aber eher chispetren, mir schmeckte eher der für 40 oder 50 Pesos).
Nach kurzem Aufenthalt ging es nach Santiago ins reparto Flores, wo wir Romelio, Yuri’s Vater, Teresa und die Nachbarn begrüssten. Endlich trafen wir auch das Filmteam, Mona (Regisseurin), Wal (Kamera) und Erzi (Ton, Kamera). Erzi ist Argentinier und konnte entsprechend bei Verständigungsproblemen helfen. Wir besprachen also, was wir jetzt und in den nächsten Tagen drehen wollten. Schwierig hierbei war nur, die beiden Schwestern einzufangen, die sich voll der Begrüssungsorgie hingaben und von halbwegs disziplinierten Drehen erstmal nichts hielten.
Schliesslich gelang es mir, alle zu briefen und wir drehten die ersten Sequenzen. Die Begrüssungsszene mit Romelio wurde nachgestellt, die Szene mit Deisi wurde original eingefangen. Nachdem wir dort eine caldosa und die verschiedenen Rumsorten probiert hatten, ging es wieder nach Boniato, wo das Wiedersehensfest bis in den späten Abend fortgesetzt wurde.


5. Januar 04

Nachdem wir alles eingekauft hatten, was wir für die bembé und den 5tägigen Aufenthalt bei Yuri’s Oma in Matahambre (campo, nördlich von Santiago) brauchten und die verschiedenen Familienmitglieder eingesammelt hatten, ging es nach nochmaligem Geldwechsel-Stop (hier war die Schlange nicht so gross wie anderswo und wir kamen nach 10 Minuten schon dran. Mir war es ein bisschen peinlich, den ca. 15 cm dicken Stapel 10-Pesoscheine, den sie mir für 150 Dollar gaben, wegzuschleppen. Zwei anwesende Polizisten wiesen uns freundlicherweise darauf hin, dass es nicht angebracht wäre, die Wechselstube zu filmen. Die Kamera, die leider deutlich grösser war als die üblichen Touristenkameras, fiel doch ziemlich auf.).
Endlich gings richtig los und mit der ersten geleerten Flasche ron wurde die bereits gute Stimmung immer besser. Aus derm Stehgreif intonierte reggaetones veranlassten alle, lauthals mitzusingen und Wal filmte auf dem schwankenden camion wo gut er konnte. Nach anfänglichen Starterschwierigkeiten (verdorbener Magen, Sprachbarriere) fand Wal zunehmend Gefallen am Leben a lo cubano und wollte schliesslich gar nicht mehr nach Santiago zurück.
Als die Sonne kurz vorm Untergehen war, hielt ich den camion auf und wir filmten – auf einem Hügel postiert – wie er uns, die Sonne im Rücken, entgegen kam und dann, vor sich hinrumpelnd und voll mit singendem Menschen auf der Erdpiste im Wald verschwand.
Da er zu früh hielt, mussten wir die Szene nochmals filmen, also Kommando zurück und noch mal. Hier erwies sich die kubanische Mentalität als Vorteil (Zeit spielt kaum eine Rolle), obwohl die zunehmende Alkoholisierung eine Koordination der Aktionen langsam schwierig gestaltete.
Ein gut betrunkener primo des Fahrers, der auch schon gut an der Flasche genuckelt hatte, fühlte sich plötzlich als stuntman und rannte halsbrecherisch vor dem riesigen Karren her und turnte schliesslich auch noch auf der Motorhaube herum. Um die Filmszene zu retten – Wal saß im Fahrerhaus und filmte nach vorne – sprang ich also vom camion, kam nach kurzem Stolpern auch schon ins Laufen ohne hinzufallen, zog den Kameraden runter und verfrachtete ihn wieder auf die Ladefläche. Er wurde vom Applaus der Mitfahrenden begrüsst, durfte sich als Held fühlen und war in der Folge lammfromm.

Schliesslich in Matahambre angekommen wurden die 3 Filmleute bei Yuri’s Prima einquartiert. Nach kurzem Streit mit Yuri, die nach 3 Tagen mit sehr wenig Schlaf mittlerweile ziemlich durch den Wind war und versuchte, a lo cubano zu organisieren, schaffte ich es schliesslich, dass die drei Licht hatten und – in Ruhe gelassen – sich frisch machen und entspannen konnten. Ich legte mich hin und schlief bis Mitternacht. Alle saßen in der Hütte und warteten auf die bembé, die ca. 1 km entfernt im Haus der Santera vorbereitet wurde. Um halb 2 war es dann soweit und wir gingen bei Vollmond, der die Landschaft hell erleuchtete, durch die in Stille getauchte Landschaft in Richtung der auf einem Hügel gelegenen Hütte. Dort angekommen wartete ca. 40 Leute auf den Beginn. Der aufgebaute Altar war hell erleuchtet und mit der Statue der Santa Barbara und allem weiteren notwendigem Beiwerk versehen. Die Santera begrüsste uns und um 2 gab sie das Zeichen zum Beginn des Festes. Die tambores begannen zu spielen an und die Anwesenden fingen an, sich nach den urtümlich anmutenden afrokubanischen Rhythmen zu bewegen. Im weiteren Verlauf wurde eine Taube, ein Huhn sowie eine Ziege und ein Schaf geopfert, wobei die Santera den beiden Vögeln die Köpfe abbiss und sich mit dem Blut bespritzte. Ziege und Schaf wurden von Romelio geschlachtet, wobei die Köpfe der Tiere abgeschnitten und die Santera sich die abgetrennten Hoden der Tiere in den Mund stopfte.
Erzi musste beim Filmen von Wal abgelöst werden, da er sich nicht mehr ganz gut fühlte !

Den weiteren Verlauf der bembé, bei der sich die Leute in Trance tanzten und vom Geist der Toten oder santos in Besitz genommen wurden, konnte ich am Morgen beobachten, da ich nicht die ganze Nacht dabei war. Nach wie vor wurde getanzt, viele Leute sassen aber etwas müde und erschöpft dicht zusammengedrängt im Schatten. Mittags wurden Kuchen und kandierte Erdnüsse verteilt, später gab es dann, serviert in Bananenblättern die geschmorten Ziegen- und Schafteile, zusammen mit Yucca. Das Essen schmeckte vorzüglich. Die Santera, die eine Kerze in der Hand hielt, konsultierte alle Anwesenden, drehte sie dabei um die eigene Achse und gab Ratschläge.
Zurück im Haus der abuela wurde einige Stunden mit Schlaf verbracht. Das Filmteam machte später weitere Aussenaufnahmen und Interviews mit einigen Familienmitgliedern. Später am Abend wurde – scheinbar spontan – auf Initiative von Yuri eine Familienkonsulta durch Yuri initiiert. Das Ganze war wild und teilweise unverständlich. Wal und Erzi filmten alles mit, bei der consulta wurde brennender Alkohol, Parfüm, Bier, Wasser usw. gearbeitet. Teilweise hatte ich etwas Angst, dass sich die beiden Schwestern beim Hinfallen verletzen könnten; Letztendlich verlief aber alles glücklicherweise gut.
Yuri war am Ende vollkommen erschöpft und verfiel später in tiefen Schlaf. Inhalte der Zeremonie waren die Probleme, die Yuni in Spanien hatte. Weiterhin waren andere Familieninterna Thema. Meiner Meinung nach wurden durch die tief aufwühlenden Szenen die Beteiligten in die Lage versetzt, ihre Situation zu erkennen und später aktiv zu verändern.


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26.01.2004 09:47
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#2 RE:Reisebericht Januar 2004
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( Gast )

welcome back

hier war's etwas kühler

melde mich bei dir

saludos de viena

martin


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26.01.2004 09:50
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#3 RE:Reisebericht Januar 2004
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( Gast )

Ein interessanter Bericht, chulo!
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung

Elisabeth 2


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28.01.2004 01:54
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#4 RE:Reisebericht Januar 2004
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( Gast )

sag mal, seid ihr nicht am 12. Januar nach d zurückgeflogen? von Havana über Cayo Coco?


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29.01.2004 13:54
avatar  Moskito
#5 RE:Reisebericht Januar 2004
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Rey/Reina del Foro


Interessant! Werde mir das auch mal ansehen.
Warum habt ihr gefilmt? Privates Vergnügen oder...?

Moskito


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29.01.2004 14:00 (zuletzt bearbeitet: 30.01.2004 08:54)
avatar  chulo
#6 RE:Reisebericht Januar 2004
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Forums-Senator/in

In Antwort auf:
sag mal, seid ihr nicht am 12. Januar nach d zurückgeflogen? von Havana über Cayo Coco?



Das Filmteam (1 Frau, 2 Jungs) ist am 12.1.04 von Havanna nach Frankfurt geflogen, Abflug ca. 20:00 Uhr.


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29.01.2004 14:12 (zuletzt bearbeitet: 29.01.2004 14:12)
avatar  chulo
#7 RE:Reisebericht Januar 2004
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Forums-Senator/in

In Antwort auf:
Warum habt ihr gefilmt? Privates Vergnügen oder...?

Ausgangspunkt war das Interesse meiner Liebsten an der Schauspielerei. Ich habe mich deshalb per mail an die Filmhochschule in München gewandt und unser Interesse und mögliche Themen bekundet. So kam der Kontakt zustande.

Ergebnis soll ein ca. 40 minütiger Doku.film werden, der unser Leben in D und Kuba beschreibt und als Hauptschwerpunkt die Santeria und das kub. Familienleben hat.

Die Regisseurin sagt, dass mit Fertigstellung im Mai zu rechnen ist. Bei Interesse von Sendeanstalten kann es sein, dass der Film im Fernsehen läuft. Ansonsten kann ich natürlich bei Interesse Videokassetten verschicken.


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29.01.2004 17:06
avatar  jemen
#8 RE:Reisebericht Januar 2004
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super Mitglied

In Antwort auf:
wobei die Santera den beiden Vögeln die Köpfe abbiss und sich mit dem Blut bespritzte... wobei die Köpfe der Tiere (Ziege und Schaf) abgeschnitten und die Santera sich die abgetrennten Hoden der Tiere in den Mund stopfte.

Klingt ja ziemlich blutrünstig. Ist das gefilmt worden? Hat sich die Santera von der Kamera nicht aus der Ruhe bringen lassen?
Und wieso hast du dich ausgeklingt bevor der "Hexensabbat" zu Ende war? Langeweile kanns doch eigentlich nicht gewesen sein!?


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29.01.2004 21:23
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#9 RE:Reisebericht Januar 2004
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( Gast )

Das Filmteam (1 Frau, 2 Jungs) sind am 12.1.04 von Havanna nach Frankfurt geflogen, Abflug ca. 20:00 Uhr

JA war aber gegen 17 Uhr von Havane und über Cayo coc, hab mit einem der Jungs gesprochen. iss ja lustig.


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30.01.2004 09:03
avatar  chulo
#10 RE:Reisebericht Januar 2004
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Forums-Senator/in

In Antwort auf:
Ist das gefilmt worden? Hat sich die Santera von der Kamera nicht aus der Ruhe bringen lassen?


War ja Ziel des ganzen. Wir haben ohne künstliche Beleuchtung gefilmt, deshalb hat sich die santera auch nicht aus der Ruhe bringen lassen. Der Vorteil war, dass das Team sowohl der Familie als auch einigen Anwesenden bekannt war und somit eine gewissen Vertrautheit vorhanden war.

In Antwort auf:
Und wieso hast du dich ausgeklinkt bevor der "Hexensabbat" zu Ende war? Langeweile kanns doch eigentlich nicht gewesen sein!?



Ich habe mir alles eine Zeitlang angesehen und gemerkt, dass ich nicht so richtig aktiv teilnehmen kann (ist ja doch nicht meine Welt), deshalb habe ich mich dann irgendwann verdünnisiert.


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30.01.2004 16:48
avatar  jemen
#11 RE:Reisebericht Januar 2004
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super Mitglied

In Antwort auf:
War ja Ziel des ganzen
Aber was war das Ziel der Santera? Geht es ihr um Trance oder steckt noch mehr dahinter? Hoffe der Film drückt die Sache nicht auf das Niveau von Folklore für Insider runter. Erscheint mir immer ein bisschen fragwürdig, wie die Filmfuzzis so ticken.


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11.02.2004 09:25 (zuletzt bearbeitet: 16.02.2004 11:07)
avatar  chulo
#12 RE:Reisebericht Januar 2004
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Forums-Senator/in

Ich habe Zeit gefunden, noch einen Teil zu schreiben, viel Spass !


7. Januar 04

Der Tag verlief ruhig mit ländlichem Familienleben, jeder hatte irgendetwas zu tun. Etliche Szenen wurden gefilmt. Alle hatten sich so an die Kameras gewöhnt, so dass alle entspannt waren. Am Abend fand noch ein Festchen in der Nähe statt, ich tauchte dort ab Mitternacht dort auf, alle waren eifrig am ron trinken und tanzen. Mona und Wal waren am diskutieren. Wal hatte sich etwas in Yuni verliebt und Jordanis, kräftig gebauter guajiro war an Mona interessiert, wie es eben so ist. Dementsprechend war für Gesprächsstoff gesorgt. Irgendwann gingen wir dann zwischen 1 und 2 im hellen Mondlicht nach Hause.


8. Januar 04

Verlief ähnlich wie der Tag zuvor, das alltägliche Leben nur dadurch unterbrochen, dass ein grosses Schwein zu chicharrones verarbeitet wurde, nachdem es mit einem kräftigen Schlag auf den Schädel betäubt und anschliessendem Stich ins Herz ins Schweineparadis befördert wurde.
Als wir gerade etwas ausserhalb des Hauses zur Strasse hin ein Interview mit Yuni machten, kam der Dorfpolizist vorbei und palaverte mit der Familie. Obwohl das Filmteam privat in der casa der Tante / Cousine untergebracht war, gab es diesbezüglich keine Probleme (?!). Nur die Ehemänner hätten in Santiago ein Papier besorgen sollen, das den Familienstand nachwies. Letzendlich hies das, das wir das A2-Visum besorgen mussten. Nun, vorerst unternahmen wir diesbezüglich nichts.


9. Januar 04

Heute schauten wir uns 2 casas in Matahambre an, beide nett gelegen, mit Hauptraum, 3 Schlafzimmern, kleine Küche und Bad sowie patio, Wasseranschluss, Strom, Brunnen und Abwasserentsorgung. Bei beiden besteht die Möglichkeit, einen Stock draufzusetzen. Das eine sollte 21.000 pesos, das andere 27.000 pesos kosten. Mal schauen !
Wir fuhren nach Santiago zurück, Jeep für 20 $ gemietet, alle Mann an Bord und 2 h 20 min zurückgeschaukelt. Ich bin die Strecke ein paar Tage später mit dem Suzuki Jimny gefahren, es hat mit kleiner Pause 1 h 15 min gedauert und hat natürlich viel mehr Spass gemacht.
Um halb 12 abends trafen wir uns mit einer deutschen Bekannten im Casa Granda. Sie wartete auf einen kub. Bekannten, den sie zuvor kennengelernt hatte. Sie kam schon 1 h zu spät zum Treffen, er tauchte gar nicht auf, sie war enttäuscht. Später dazu mehr.
Santiago hat sich in den letzten 2 Jahren nach meinem Dafürhalten zum Negativen entwickelt. Schon der Taxifahrer erzählte, dass die Polizei sehr aktiv war, er liess und in der Nähe des P. Cespedes raus. Die hohen Bäume am Platz waren gefällt worden und durch deutlich kleinere ersetzt worden, der ganze Platz war jetzt sehr gut einseh- und kontrollierbar. Alles sah sehr sauber und stromlinienförmig aus. Es waren wenig Leute unterwegs und - als ob die Prophezeiung des commandante eingetroffen wäre - die Rastafariähnlichen waren deutlich in der Überzahl. Im Casa Granda wollten sie uns erst nicht einlassen, denn um 24:00 Uhr wurde geschlossen. Wir konnten sie überzeugen uns reinzulassen, nur zum trinken gab es dann natürlich nichts mehr. Nicht so wichtig, es war sowieso sehr wenig los, nur ein paar versprengte Touris sahen zu uns rüber. Ich war mit meiner Liebsten und ihrer Schwester unterwegs, beide hübsch angezogen und sehr nett aussehend. Ich konnte mich an andere Abende in Casa Granda erinnern, wo wesentlich mehr los war und wir sehr viel Spass hatten.
Wir also ins trova, es gab laute live music, der Trompeter war recht gut. Das Publikum hingegen war weniger erfreulich: Alt-Jineteras, desillusionierte jineteros und wenig motivierte Touris. Schnell paar moquitos gezischt, dann zum plaza dolores (boulevard). Ziemlich voll, jede Menge Rastas, unattraktive jineteras und andere undefinierbare Gesellen. Angenehmere Gesellschaft war so gut wie gar nicht vorhanden. Hängt wohl damit zusammen, dass die Polizei aufgrund von Drogenvorfällen in Havanna und auch Santiago verstärkt kontrolliert und deshalb nur noch hardcore übrig blieb. Da es schon 3:00 Uhr war und keine akzeptable Disco mehr offen hatte (Las Americas inkl. Pool wurde gerade renoviert), fuhren wir nach Hause. Nicht ohne dass das Taxi bei einer Steigung den Geist aufgab und erst nach 10 Minuten eifriger Bastelei wieder ansprang.




Fluch des Goldes

Tagsüber waren wir am Playa de estrellas. Am Abend zuhause merkte Yuri, dass ihre 2 Goldketten, 2 Ringe und die Ohrringe nicht mehr in ihrem Travellergürtel waren, den sie immer um die Hüften trug. Die Ketten hatte sie bei der Fahrt mit einem moto, die Ringe vor dem Baden in die Tasche getan.
Da ihre Kousine die Tasche bewachte als wir am Strand waren, gehörte sie gleich zu den Hauptverdächtigen. Ich habe sie aber als voll vertrauenswürdig kennengelernt und konnte mir nicht vorstellen, dass sie das Zeug geklaut hatte. Ausserdem war ja geplant, dass sie noch ein paar Tage mit uns zusammen war, wo also hätte sie das Zeug aufbewahren sollen ?
Jeder verdächtigte also jeden und die Stimmung war erfolgreich nachhaltig vergiftet.

Als ich am nächsten Morgen das Zimmer verliess kam mir Yuni entgegen und kurz darauf tat sie einen Schrei: „Ich hab’ den Schmuck gefunden !“
Es lag – auf den ersten Blick schwer zu entdecken – hinter dem Koffer. Die Aktion war meinem Empfinden nach etwas zu konstruiert. Im ersten Moment dachte ich, dass Yuri’s Kousine die Tat bereut hat und, um ihr Gesicht zu wahren, Yuni gebeten hat, die Sachen unauffällig wieder in unserem Zimmer zu deponieren. Ich habe Yuni also durch meine Mimik zu verstehen gegeben, dass ich die Aktion für gefaked hielt (hätte ich besser mal nicht gemacht !).
Erstmal waren aber alle wieder glücklich.
Später sagt mir Yuri, dass ihre Schwester im Zimmer sass und sich die Augen aus dem Kopf heulte, sie dachte, dass ich sie für die Diebin hielt. Also beilte ich mich, die Sache richtig zu stellen.

Mittlerweile glaube ich, dass es gar keinen Diebstahl gab, sondern dass Yuri das Zeug auf den Koffer gelegt hat und beim Öffnen alles hinten runterfiel. Sie konnte sich aber nicht mehr daran erinnern.

Goldfieber und Fluch des Goldes !


Abschied

Langsam machte sich in mir die Traurigkeit über unseren Abschied breit. Ein Gefühl, das mächtig war und mich voll in Besitz nahm. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so was ursprüngliches und unausweichliches gefühlt hatte. Scheinbar ohne grosse Veranlassung. Ich liess es zu, nahm Yuri in die Arme und drückte sie zärtlich, das half mir etwas.

Sie brachten uns zum Bahnhof und warteten mit uns, bis wir durch die Kontrolle gingen. Wir küssten uns und umarmten uns, der Abschied war schnell und heftig. Wir würden uns ja in 2 Wochen wieder sehen.

Wie vermisste ich mein Schätzchen bereits ! Wenn sie bei mir ist, nehme ich das als selbstverständlich hin, es war das Alltagsleben, man dachte nicht gross darüber nach, immer mal wieder zankten wir uns. Yuri sagte in diesem Urlaub ein oder zweimal: Mit Dir kann ich nicht leben, ohne Dich auch nicht !
Ich fand das übertrieben, speziell der erste Teil des Satzes, ich kann sehr wohl mit ihr.

Jetzt saß ich also beim Abendessen mit Pere und vermisste sie so, dass es mir schwer fiel, das Gespräch in Gang zu halten. Pere ist nicht derjenige, mit dem ich darüber sprechen konnte. Er scheint unberührt durchs Leben zu gehen ……. .


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11.02.2004 20:01
avatar  castro
#13 RE:Reisebericht Januar 2004
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Rey/Reina del Foro

@ chulo

schöner gefühlvoller bericht, macht wieder mut zum träumen!

santiago habe ich, wie du und auch queso, seit dem letzten mal im sommer letzten jahres
unangenehm in erinnerung. mein früherer auto-nacht-aufpasser beklagte sich, da ich keinen mietwagen mehr hatte,
würden seine umsätze zurückgehen, im selben atemzug bat er mich, doch ihm ein paar turnschuhe als geschenk
das nächste mal mitzubringen, allerdings keine reebock oder nike (taugen nichts!) nur adidas!
beim besuch im cementario wollte man von mir und meiner cub. begleitung eintritt haben von 1$ und für die
camera natuerlich auch noch einen. es hat sich viel verändert, aber trotzdem gibt es sie noch, die netten
und lieben cubaner, die ich gern wieder besuchen gehe, ich freu mich schon darauf!

castro
patria o muerte


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